Studie: Menschen schützen in der Pandemie zunächst sich selbst

Studie: Menschen schützen in der Pandemie zunächst sich selbst

Bamberg (epd). Menschen kümmern sich in der Corona-Pandemie laut einer Studie zunächst um die eigene Sicherheit, bevor sie andere schützen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts für Psychologie an der Universität Bamberg, wie diese am Mittwoch mitteilte. Untersucht wurde, welche Schutzmaßnahmen die Befragten umsetzen und wie diese Umsetzung davon beeinflusst wird, welche Schutzwirkung sie sich davon für sich selbst und für andere versprechen. Überraschend sei gewesen, "dass sogar für prosoziale Menschen der Schutz anderer Personen zweitrangig ist", sagte Studienleiter Johannes Leder. Die Ergebnisse wurden am 5. November in der Fachzeitschrift "Comprehensive Results in Social Psychology" veröffentlicht.

Die Forscher führten nach eigenen Angaben zwei Online-Befragungen in Deutschland durch: die erste mit rund 420 Personen im Lockdown-Monat März, die zweite mit rund 250 Personen im Mai und Juni. In den Umfragen bewerteten die Teilnehmer 17 Schutzmaßnahmen, darunter Masketragen, Abstandhalten und Vermeiden von Corona-Partys. Die Befragten sollten angeben, wie sie diese Maßnahmen wahrnehmen und nutzen. Zudem untersuchten die Wissenschaftler die soziale Wertorientierung, also wie kooperativ Menschen sind oder nicht. 92 Prozent erwiesen sich demnach als prosozial: Sie kooperieren mit anderen und versuchen, eine faire Lösung zu finden. Das Gegenteil sind Leder zufolge selbstorientierte Menschen, die egoistisch handelten.

Zu Beginn des Lockdowns nahmen die Teilnehmer die Maßnahmen häufig als wirksam wahr und nutzten sie meist, wie das Forscherteam beobachtete. Nach dem Lockdown hingegen hätten die Nutzung und die angenommene Wirksamkeit von fast allen Maßnahmen abgenommen, sagte Leder. Nur die Masken nutzen die Befragten nach dem Lockdown stärker als währenddessen. Sozialen Abstand hingegen hielten im Mai deutlich weniger Menschen für wirksam als im März. "Diese Einstellung ist problematisch", sagte Leder. Die Erfahrung, dass die Pandemie im Mai so glimpflich verlief, habe offensichtlich nicht zu der Einsicht geführt, dass sozialer Abstand wirksam sei: "Viele nehmen irrtümlich an, dass Covid-19 nicht so gefährlich ist."

Identisch waren die Ergebnisse der Befragungen in einem Punkt: Menschen seien motiviert, Maßnahmen umzusetzen, "die vor allem sie selbst schützen und wenig aufwendig sind" wie etwa Händewaschen, sagte Leder. Darum sollten Berufstätige in Politik, Forschung und Gesundheitswesen "in Interviews mit Medien den Selbstschutz-Aspekt stärker betonen", empfahl er: "Sie sollten deutlich machen, dass es langfristig jedem einzelnen hilft, wenn man andere schützt und so die Ausbreitung von Covid-19 reduziert." Dann würden vermutlich mehr Menschen die Maßnahmen umsetzen.

Die zweite Befragung belegte zudem, dass persönliche Erfahrungen den Umgang mit der Pandemie stark beeinflussen. Wer einen Menschen kannte, der von Corona genesen war, hielt sich seltener an Maßnahmen. Wer dagegen jemanden kannte, der daran gestorben war, schützte sich und andere häufiger. Insofern sei es in der öffentlichen Kommunikation auch wichtig, über Schicksale von Betroffenen zu informieren, sagte Leder.