Sozialpsychologe: Corona-Regeln müssen vermittelbar bleiben

Sozialpsychologe: Corona-Regeln müssen vermittelbar bleiben
16.11.2020
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Lüneburg (epd). Der Lüneburger Sozialpsychologe Roman Trötschel hält nichts vom Denunziantentum in der Corona-Krise. Wenn Nachbarn einander in der Einhaltung der Regeln überwachten, sei das fatal, sagte der Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg. "Wenn Menschen das Gefühl haben, sie werden von anderen kontrolliert, verhalten sie sich erst recht gegenteilig." Freiwilligkeit und das Gefühl von Autonomie seien zentrale Motive für eine Akzeptanz.

Wichtig sei deshalb die Kommunikation, um anderen zu vermitteln, warum das Einhalten der Vorschriften nötig sei, betonte Trötschel: "Ich kann den Nachbarn erklären, ich fahre in der nächsten Woche zu meinen Großeltern und habe Angst, dass sich vorher das Virus in der Nachbarschaft ausbreitet." Menschen hielten sich nur dann an Vorschriften, wenn sie darin einen Sinn erkennen könnten. Darum sei es zum Beispiel gut, dass Bund und Länder sich mittlerweile auf ein weitgehend einheitliches Vorgehen geeinigt hätten.

Dabei habe er Verständnis dafür, dass einige Regeln als ungerecht empfunden würden und etwa Gastronomen gegen eine erneute Schließung der Lokale klagten, sagte Trötschel. "Gerichte spielen eine zentrale Rolle. Aber man wird am Ende des Tages in einer solchen Dilemma-Situation keine Gerechtigkeit bekommen." Politiker müssten Entscheidungen treffen und dazu zähle aktuell, dass die Öffnung von Schulen und Kindertagesstätten und die Wirtschaft Vorrang hätten.

Menschen bräuchten das Gefühl, selbst Kontrolle über ihr Leben zu haben. In der Pandemie aber treffe dies nur bedingt zu, weil auch das Verhalten der anderen einen großen Einfluss habe, sagte Trötschel. Darum seien "implizite" gesellschaftliche Normen zentral, die viele für sich als verbindlich erachteten: "Wenn auf einem Parkplatz ein Schild hängt 'keinen Müll hinterlassen', aber alles voller Müll ist, haben auch andere keine Hemmungen."