Experten: Isolierung von Heimbewohnern greift zu kurz

Experten: Isolierung von Heimbewohnern greift zu kurz

Bremen (epd). Mit den sprunghaft steigenden Infektionszahlen wachsen insbesondere für ältere und pflegebedürftige Menschen die Gefahren für Leib und Leben. Schon in der ersten Corona-Welle in Deutschland entfielen nach Angaben des Pflegeforschers Heinz Rothgang etwa die Hälfte aller Todesfälle mit Covid-19 auf Heimbewohnerinnen und Heimbewohner und annähernd zwei Drittel auf die Gruppe der Pflegebedürftigen insgesamt. "Um die Zahl der Patienten mit schwersten Verläufen und Todesfälle mit Covid-19 zu verhindern, ist es daher essenziell, ein Eindringen und eine Ausbreitung des Virus in Pflegeheimen zu verhindern", schreibt Rothgang in einem gemeinsamen Beitrag mit seiner Bremer Kollegin Karin Wolf-Ostermann im Fachdienst epd sozial des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Zugleich waren die beiden Forscher davor, Pflegebedürftige von der Gesellschaft zu isolieren. Denn "physische Distanzierung und Kontaktsperren haben ebenfalls schwere Folgen für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner", erklärt Wolf-Ostermann. Auf Besuchsverbote für Angehörige hätten pflegebedürftige Senioren mit Depression, Verwirrtheit und Ängstlichkeit reagiert. "Eine einseitige Fokussierung auf Isolation greift zu kurz", betonen Wolf-Ostermann und Rothgang.

Die Wiederholung einer weitreichenden Kontaktsperre sollte daher weitgehend vermieden werden. Die Bremer Forscher sehen dabei die Pflegeeinrichtungen "vor einem grundsätzlichen Dilemma stehen: Es gilt, die Ausbreitung des Virus zu stoppen, ohne dabei Vereinsamungstendenzen zu befördern." Dies könne nur durch einen Maßnahmen-Mix gelingen, der sowohl Bewohnerinnen und Bewohner und ihre An- und Zugehörigen als auch die Beschäftigten in den Einrichtungen berücksichtigt.

Wolf-Ostermann und Rothgang raten daher, Besucherinnen und Besucher regelmäßig mit Antigen-Schnelltests auf eine Corona-Infektion zu testen. Auch externe Dienstleister wie Ärzte, Therapeuten, Fußpfleger sowie das eigene Personal sollten in den Einrichtungen getestet werden. "Wer positiv getestet wird, erhält keinen Einlass. Bei negativem Test ist ein Besuch und die Erbringung einer Dienstleistung möglich. Alle Hygieneregeln sind weiterhin einzuhalten", empfehlen die Experten.

Darüber hinaus sollten die Einrichtungen ihren Bewohnern Möglichkeiten der digitalen Kommunikation wie etwa Telefonate per Skype anbieten. "So werden Sozialkontakte auch zu den Menschen ermöglicht, die auf einen physischen Besuch verzichten müssen."

Rothgang und Wolf-Ostermann halten es für notwendig, dass die Einrichtungen Handlungspläne erarbeiten, damit sie auf ein mögliches Infektionsgeschehen in ihren Häusern schnell und angemessen reagieren können.