Debatte um Corona-Regeln und erneute Einschränkungen

Debatte um Corona-Regeln und erneute Einschränkungen
In der Debatte um die Corona-Regeln wächst die Sorge vor erneuten drastischen Einschränkungen, die besonders die Schwächsten treffen würden. Kanzlerin Merkel warnt vor Leichtsinn: "Wir riskieren gerade alles, was wir schon erreicht haben."

Berlin (epd). Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen wächst die Sorge vor erneuten, drastischen Einschränkungen. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, forderte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), pflegebedürftige Menschen vor dem Verlust der Selbstbestimmung zu schützen. Lebenshilfe und Diakonie drangen am Mittwoch darauf, behinderte und alte Menschen nicht vom sozialen Leben abzuschneiden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte sich im Bundestag mit einem eindringlichen Appell an die Öffentlichkeit. Vom verantwortlichen Handeln jeder und jedes Einzelnen hänge nicht nur der Schutz besonders verletzlicher Menschen und Bevölkerungsgruppen ab, "sondern unsere offene, freie Gesellschaft als Ganzes", sagte die Regierungschefin in der Generaldebatte zum Haushalt 2021.

"Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben", warnte die Kanzlerin. Es dürfe nicht wieder dazu kommen, dass Menschen in Krankenhäusern oder Pflegeheimen mutterseelenallein sterben müssten. Sie selbst wolle alles dafür tun, "um einen erneuten landesweiten Shutdown zu verhindern", versicherte Merkel. Bund und Länder hatten am Dienstag vereinbart, die Regeln für Privatfeiern zu verschärfen und falsche Angaben bei der Zurückverfolgung von Infektionsketten mit Bußgeldern zu belegen.

Zugleich zeigte die Kanzlerin Verständnis dafür, dass die Menschen sich nach ihrem normalen Leben zurücksehnten. Es gehe ihr selbst so. Überall sei zu beobachten, wie die Vorsicht nachlasse. Es müsse aber jetzt darum gehen, die sich wieder verschlechternde Situation wirklich ernst zu nehmen. "Ich appelliere an Sie alle: Halten Sie sich an die Regeln, die für die nächste Zeit weiter gelten müssen", sagte Merkel.

Zum Infektionsschutz in Pflegeheimen erklärte der Pflegebeauftragte Westerfellhaus, Bewohner und Angehörige müssten mehr Mitsprache erhalten. Er kritisierte, es gebe immer noch Einrichtungen, wo "Angehörige regelrecht aus- und die Bewohner eingesperrt" würden. Beim Umgang mit dem Infektionsrisiko fehle häufig das Maß, kritisierte Westerfellhaus.

Regional unterschiedliche Regelungen könnten gerechtfertigt sein, wenn das Infektionsgeschehen sie erfordere. Aber es müsse in allen Bundesländern das Selbstbestimmungsrecht und die Lebensqualität der Heimbewohner im Fokus stehen, appellierte Westerfellhaus an die am Mittwoch beratenden Gesundheitsminister der Länder.

Die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) warnte, Corona-Schutzmaßnahmen dürften nicht dazu führen, dass behinderte Menschen von sozialen Kontakten abgeschnitten würden. Alle Maßnahmen müssten daraufhin überprüft werden. Die mühsam errungene Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen dürfe durch Corona nicht wieder infrage gestellt werden, forderte Schmidt.

Die Diakonie Deutschland richtete den Blick auf die Rechte älterer Menschen. Menschen ab 60 Jahren pauschal als Risikogruppe zu etikettieren und sie besonders abzuschirmen, grenze sie aus, erklärte Sozialvorstand Maria Loheide.