90 Gebiete kommen für ein Endlager infrage

90 Gebiete kommen für ein Endlager infrage
Bayern will Standortsuche «kritisch» begleiten
Erste Phase auf der Suche nach einem Atom-Endlager: Halb Deutschland kommt vom Gestein her infrage. Viele mögliche Standorte gibt es in Bayern. Ministerpräsident Söder hat dazu "eine Menge an Fragen".

Berlin (epd). In allen Bundesländern außer dem Saarland gibt es Standorte, die als Endlager für hochradioaktiven Atommüll infrage kommen. Das geht aus dem ersten Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hervor, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Es handelt sich dabei um 90 sogenannte Teilgebiete, die sich insgesamt über rund 240.000 Quadratkilometer ziehen und damit 54 Prozent der Fläche Deutschlands ausmachen. BGE-Geschäftsführer Stefan Studt sagte angesichts dieses Ergebnisses, die Chance stehe sehr gut, den Ort für ein Endlager zu finden, "der Sicherheit für eine Million Jahre bietet".

Es ist die erste Phase im Verfahren zur Suche nach einem Atommüll-Endlager. Im Zwischenbericht werden nach geologischen Untersuchungen weite Landstriche unter anderem in Norddeutschland, Sachsen und Bayern als mögliche Standorte ausgewiesen. Ausgeschlossen sind Regionen mit Erdbeben-Aktivität, Vulkanismus, Wasserzuflüssen oder in denen früher Bergbau betrieben wurde.

Dass das Verfahren - das noch Jahre dauern wird - nicht ohne Streit ablaufen wird, deutet sich jetzt schon an: Im Vorfeld hatten bereits die bayerische und die sächsische Landesregierung erklärt, ihre Bundesländer seien für ein Endlager nicht geeignet. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) rief Politikerinnen und Politiker auf, "zur gemeinsamen Verantwortung zu stehen und dem Verfahren Rückhalt zu geben".

Ausgeschieden ist schon jetzt der Salzstock Gorleben, der in den vergangenen Jahrzehnten umfassend auf seine Eignung als mögliches Endlager untersucht wurde. Dort hatte es auch zahlreiche Massenproteste der Anti-Atom-Bewegung gegeben. BGE-Co-Geschäftsführer Steffen Kanitz sagte, Gorleben sei durchgefallen, weil es unter anderem es kein intaktes Deckgebirge über dem Salzstock gebe.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) begrüßte dieses Ergebnis. "Gorleben war ein Symbol für eine Atompolitik, in der existenzielle Entscheidungen ohne fachliche Expertise im Hinterzimmer ausgekungelt worden sind", erklärte er. Nun sei offiziell bestätigt worden, dass schon die geologischen Voraussetzungen für ein atomares Endlager in Gorleben nie vorgelegen hätten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte in München klar, dass es von bayerischer Seite "keine Totalblockade" beim Thema Endlager gebe. Man werde das Verfahren der Standortsuche "konstruktiv, aber auch kritisch" begleiten. Nach dem nun vorgelegten Zwischenbericht bleibe bei ihm jedoch "eine Menge an Fragen" und "eine große Portion Skepsis".

Anti-Atom- und Umweltgruppen beklagten, dass die Bevölkerung zu wenig beteiligt werde. Der Sprecher der Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt", Jochen Stay, wies darauf hin, dass künftig ein Ort das Atommüllrisiko für die ganze Gesellschaft auf sich nehmen werde. Dennoch sei nur eine "Pseudo-Beteiligung" möglich: Alle dürften ihre Meinung äußern, doch staatliche Stellen könnten darüber hinweg gehen. So bestehe die Gefahr, dass der Standort mit der geringsten Hausmacht im Bundestag als Endlager gewählt werde.

Insgesamt 74 der aktuell vorgestellten Teilgebiete liegen in Steinsalzformationen (mehr als 30.000 Quadratkilometer), neun in Tongestein (knapp 130.000 Quadratkilometer) und sieben in kristallinem Gestein, also Granit (knapp 81.000 Quadratkilometer). Das Endlager soll in mindestens 300 Metern Tiefe gebaut werden und von einer mindestens 100 Meter dicken Gesteinsschicht umschlossen sein. Es muss laut BGE auch "mehrere Eiszeiten" überstehen können. Nach drei Phasen, in denen Regionen ausgewählt, übertägig und untertägig erkundet werden sowie mit Bürgern und Interessensgruppen beraten wird, soll bis 2031 ein Standort gewählt werden. Diese Entscheidung trifft der Bundestag.

epd lnb/mey jup