Migrationsexperte: Rassismus-Begriff nicht inflationär verwenden

Migrationsexperte: Rassismus-Begriff nicht inflationär verwenden
14.06.2020
epd
epd-Gespräch: Judith Kubitscheck

Stuttgart (epd). Nach Ansicht des Migrationsexperten Yassir Eric sollte der Begriff "Rassismus" nicht inflationär verwendet werden. Dies banalisiere tatsächliche Rassismuserfahrungen, sagte der Leiter des Europäischen Instituts für Migration, Integration und Islamthemen (Eimi) in Korntal bei Ludwigsburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Rassismus sei ein sehr starker Begriff, mit dem man vorsichtig umgehen sollte, sagte der gebürtige Sudanese und protestantische Theologe.

"Wenn ich jemandem auf der Straße begegne, der mich böse anschaut, weil er vielleicht einen schlechten Tag hat, dann sollte ich ihm nicht gleich Rassismus unterstellen, bloß um ihn einzuschüchtern." Denn so bagatellisiere man den wahren Rassismus und werde nicht den Menschen gerecht, die tatsächlich Opfer von Rassismus sind. Eric lebt seit 1999 in Deutschland und hat nach eigenen Worten persönlich noch nie direkten Rassismus erlebt. Aber das bedeute nicht, dass andere das nicht hautnah und bitter erlebten, betonte er.

Freunde mit fremd klingendem oder muslimischem Namen machten regelmäßig die Erfahrung, dass sie bei der Wohnungssuche benachteiligt werden. Wenn sie anrufen und eine Wohnung besichtigen wollen, sei diese oft komischerweise plötzlich schon vergeben. Auch bei Bewerbungen werden sie unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Solche Diskriminierungserfahrungen gehörten zum Alltag vieler Menschen.

Allerdings ist laut Eric kein Mensch vor Rassismus sicher, er stecke in jedem Menschen. Als gebürtiger Nordsudanese habe er früher die Südsudanesen gehasst und auf andere sudanesische Volksgruppen wie die Dinka herabgeschaut, die schwärzere Haut hatten als er selbst. "Bevor wir auf die Straße gehen und die Ungerechtigkeit, die in Amerika passiert ist, verurteilen, sollten wir uns selbst fragen: Wie gehe ich mit anderen Menschen um?", erklärte der Migrationsexperte. "Wenn wir nicht an unseren Einstellungen etwas verändern, wird es immer weiter die Probleme geben, dass Menschen ungleich behandelt werden."