Hilfsorganisationen: Corona-Krise zwingt zu Kinderarbeit

Hilfsorganisationen: Corona-Krise zwingt zu Kinderarbeit
Schuften statt Schule: Mehr als 150 Millionen Kinder müssen arbeiten, um sich und ihre Familien durchzubringen. Hilfswerke fürchten einen drastischen Anstieg wegen der Corona-Krise - keine guten Nachrichten zum Welttag gegen Kinderarbeit 2020.

Frankfurt a.M. (epd). Die Corona-Krise lässt Kinderrechtlern zufolge die Kinderarbeit in armen Ländern bereits spürbar ansteigen. Bei Recherchen in asiatischen Ländern sei eine deutliche Zunahme festgestellt worden, erklärte die Hilfsorganisation World Vision in Friedrichsdorf. Diese Tendenz sei auch in anderen Teilen der Welt zu sehen, besonders in Afrika und Lateinamerika, sagte Kinderrechtsreferentin Antje Lüdemann-Dundua. Die Vorstandssprecherin des Kinderhilfswerks terre des hommes, Birte Kötter, sagte am Donnerstag in Osnabrück: "Für Millionen Kinder in armen Ländern hat die Corona-Pandemie das Gesicht von Hunger und Ausbeutung."

Lüdemann-Dundua sagte am Mittwoch, die Folgen seien extrem: "Denn die Kinder werden so ihrer Zukunft beraubt. Viele von ihnen werden nicht mehr in die Schule zurückkehren. Sie verlieren die Chance auf ein besseres Leben." Für die Erhebung befragte World Vision Familien in sechs asiatischen Ländern. 830 Familien, etwa acht Prozent der Befragten, gaben demnach an, dass sie durch die Corona-Maßnahmen und damit wegfallendes Einkommen sowie steigende Ausgaben gezwungen seien, ihre Kinder arbeiten zu schicken. Weitere 415 Familien erklärten, dass sie ihre Kinder jetzt betteln ließen.

Die dramatische Verarmung aufgrund der Corona-Pandemie könnte Kinder massenhaft in Arbeit treiben und ihrer Bildungschancen berauben, mahnten auch "Brot für die Welt" und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) anlässlich des Welttags gegen Kinderarbeit an diesem Freitag. Weltweit müssten geschätzt 152 Millionen Kinder arbeiten, davon 73 Millionen in ausbeuterischen Verhältnissen. Im Zuge der Corona-Krise könnte die Zahl drastisch steigen, erklärten die beiden Organisationen am Mittwoch.

"Corona drängt in Entwicklungsländern viele Familien immer tiefer in die Armut", sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin von "Brot für die Welt". Sie müssten ökonomisch gestärkt werden, damit die Kinder nicht aus nackter Überlebensnot in ausbeuterische Arbeit getrieben werden. "Für Unternehmen, die mithilfe dieser Billigstarbeitskräfte im Bergbau, in Steinbrüchen, in der Landwirtschaft oder der Teppichfabrikation ihre Gewinnmargen in die Höhe treiben, brechen 'goldene Zeiten' an, wenn viele Familien keine alternativen Einnahmequellen haben", sagte Füllkrug-Weitzel. "Wir müssen dem einen Riegel vorschieben, indem wir Produkte aus Kinderarbeit ächten."

Das Hilfswerk Misereor nimmt dabei die Wirtschaft in die Pflicht. Besonders gravierend sei die Situation etwa weiterhin im Kakaosektor, erklärte Thomas Antkowiak am Mittwoch in Aachen. Allein in Ghana und der Elfenbeinküste, die mehr als 60 Prozent des weltweiten Kakaos produzierten, arbeiteten laut einer Studie rund zwei Millionen Kinder auf den Feldern. Bei mehr als 85 Prozent von ihnen würden die Tätigkeiten als ausbeuterisch und gesundheitsgefährdend eingestuft.

Terre des hommes forderte, nationale Regierungen und internationale Akteure müssten die Belange armer und benachteiligter Kindern in ihren Corona-Hilfsprogrammen mit Priorität berücksichtigen. Um Kinderarbeit zu verhindern, seien Nahrungsmittelhilfen oder Direkthilfen für bedürftige Familien jetzt unverzichtbar.

Die Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping betonte am Donnerstag, jedes Kind, das durch Kinderarbeit ausgebeutet und zu ihr gezwungen werde, sei eines zu viel. Die systematische Ausbeutung von Kindern müsse per Gesetz verboten werden, sagte sie in Berlin.

Bereits vor der Pandemie litten den Angaben zufolge weltweit 386 Millionen Kinder unter extremer Armut. Die Vereinten Nationen schätzen, dass als Folge der Corona-Pandemie zusätzlich 66 Millionen Kinder in extreme Armut abrutschen. Während der Hochzeit des weltweiten Lockdowns im Mai konnten nach UN-Angaben 1,5 Milliarden Schülerinnen und Schüler keine Schule besuchen.

epd svo/lnb mih