Forscher warnen vor hoher Ansteckungsgefahr in Flüchtlingsheimen

Forscher warnen vor hoher Ansteckungsgefahr in Flüchtlingsheimen
Caritas und Diakonie fordern eine dezentrale Unterbringung
Das Ergebnis kann nicht überraschen: Forscher finden heraus, dass das Corona-Risiko in großen Flüchtlingsunterkünften ähnlich groß ist wie auf Kreuzfahrtschiffen. Caritas und Diakonie fordern eine Unterbringung in kleinen Einrichtungen.

Frankfurt a.M. (epd). Forscher warnen vor einem hohen Corona-Risiko in Sammelunterkünften für Asylbewerber. Wegen der hohen Personendichte könnten die Unterkünfte zu Hotspots für Corona-Infektionen werden, warnen Gesundheitswissenschaftler der Universität Bielefeld in einer am Freitag veröffentlichten Studie. Nach der Feststellung eines Falles ergebe sich ein Ansteckungsrisiko für alle übrigen Bewohner von 17 Prozent. Dies sei mit dem Ausbreitungsrisiko auf Kreuzfahrtschiffen vergleichbar, erläuterte Kayvan Bozorgmehr, Professor für Public Health. Caritas und Diakonie forderten, zumindest Familien mit Kindern und Risikogruppen aus den Großeinrichtungen herauszuholen.

In den vergangenen Wochen war es Corona-Ausbrüchen in Heimen in mehreren Bundesländern gekommen. Der Co-Autor der Bielefelder Studie, Oliver Razum, betonte: "Die beengten Verhältnisse begünstigen eine rasche Ausbreitung." Viele Menschen müssten sich wenige Küchen, Toiletten und Duschen teilen. Zur Prävention empfehlen die Wissenschaftler eine dezentrale Unterbringung. In zentralen Aufnahmeeinrichtungen sollte die Unterbringung zumindest in Einzelzimmern oder in kleinen Wohneinheiten organisiert werden, hieß es. Die Gesundheitswissenschaftler plädierten für bundesweite Empfehlungen, um die Eindämmung von Covid-19 in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie warnte: "Große Flüchtlingsunterkünfte dürfen nicht zu neuen Corona-Hotspots werden. Corona belegt, dass das Konzept, viele Menschen auf engem Raum zusammenzupferchen, der falsche Weg ist." Eine Unterbringung in Großunterkünften sei außerdem gar nicht notwendig, weil viele Kommunen und kirchliche Träger bereits ihre Unterstützung angeboten hätten, um die Menschen dezentral unterzubringen. Caritas-Präsident Peter Neher forderte: "Zumindest für die Menschen, die zu den Risikogruppen gehören, und für Familien mit Kindern sollten schnellstens andere Formen der Unterbringung organisiert werden."

Die Wissenschaftler schränken ein, dass die Studienergebnisse sich nicht auf alle Flüchtlinge übertragen ließen. Denn es seien nur Sammelunterkünfte untersucht worden, in denen mindestens ein Fall auftrat. Deutlich sei jedoch, dass bei einer bestätigten Corona-Infektion das Risiko einer Ansteckung für alle anderen Menschen in dem Heim ebenfalls hoch sei, erklärte der Leiter der Studie.

Für die Erhebung wertete ein Team unter Leitung von Bozorgmehr Daten aus elf Bundesländern und 42 Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften aus. In den betroffenen Sammelunterkünften wurden von 9.785 Flüchtlingen insgesamt fast 1.770 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet.

epd lwd/mj ug