Bund soll Leid der Verschickungskinder aufklären

Bund soll Leid der Verschickungskinder aufklären

Hannover, Berlin (epd). Das Leid ehemaliger Verschickungskinder, die in Kurheimen zwischen den 1950er und 1980er Jahren misshandelt worden sind, soll in der Verantwortung des Bundes aufgeklärt werden. Forscher sollen gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Betroffenen und den damals involvierten Institutionen die Geschehnisse in den Heimen aufarbeiten, wie die niedersächsische Familienministerium Carola Reimann (SPD) am Mittwoch in Hannover ankündigte. Auf dieses Vorgehen habe sich die Jugend- und Familienministerkonferenz des Bundes und der Länder auf ihre Initiative hin geeinigt.

"Viele Kinder haben während dieser Aufenthalte Schlimmes erlebt", sagte Reimann. "Noch heute belasten sie diese Erfahrungen. Nur durch eine Aufarbeitung der Geschehnisse können die damaligen Opfer Gerechtigkeit erfahren." Es handele sich um ein bundesweites Problem. "Die Kinder sind über Landesgrenzen hinaus verschickt worden", erklärte die Ministerin. "Deshalb braucht es eine Aufarbeitung auf Bundesebene, gemeinsam mit den Betroffenen."

Zwischen den 1950er und 1980er Jahren wurden überall in Deutschland Hunderttausende Kinder ab dem zweiten Lebensjahr aus gesundheitlichen Gründen über mehrere Wochen oder Monate von ihren Eltern getrennt und in Kinderkurheime gebracht. Häufige Ziele waren die Nordsee-Inseln sowie Gebirge wie der Harz. Die Kosten trugen die Krankenkassen. Viele Kinder kehrten jedoch traumatisiert zurück. Sie berichteten von Essenszwang und gewaltsamer Einfütterung durch das Pflegepersonal bis hin zum Erbrechen sowie von harten Strafen wie Schlafentzug oder Ans-Bett-Fesseln. Eltern hatten kein Besuchsrecht.

"Wir begrüßen eine bundesweite Aufarbeitung und werden uns daran beteiligen", sagte der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Diakonie habe darüber hinaus selbst einen Historiker beauftragt, der bereits an dem Thema arbeite. Dieser werde die betroffenen Heime ermitteln und deren Geschichte aufarbeiten. Ende vergangenen Jahres war bekanntgeworden, dass auch in Heimen der Diakonie Kinder misshandelt wurden.