Experte: Zivilgesellschaft ist im Ausnahmezustand

Experte: Zivilgesellschaft ist im Ausnahmezustand
02.04.2020
epd
epd-Gespräch: Dirk Baas

Frankfurt a.M. (epd). Die Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum haben nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Ansgar Klein auch gravierende Auswirkungen auf zivilgesellschaftliche Aktivitäten. "Viele normale Arbeitsformate sind jetzt für Organisationen und Einrichtungen der Zivilgesellschaft unmöglich", sagte der Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Man befinde sich im Ausnahmezustand. Zwar könnten digitale Kommunikationsräume einiges kompensieren, aber "einen kompletten Ersatz für das interaktive Geschehen im Direktkontakt kann das Internet sicher nicht bieten", betonte der Politikwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität.

Das BBE wurde 2002 gegründet und ist ein Zusammenschluss von Akteuren aus Bürgergesellschaft, Staat und Wirtschaft. Die nach eigenen Angaben 270 Mitgliedsorganisationen haben das Ziel, bürgerschaftliches Engagement in allen Gesellschafts- und Politikbereichen zu fördern.

"Aktuell klaffen bei unseren Mitgliedern Lücken im sozialen Austausch, die wohl nicht folgenlos bleiben werden", sagte Klein. Die Langzeitfolgen seien für die Vereine, Verbände und Initiativen noch unabsehbar. Der Publizist verwies aber zugleich auf die Vorteile der Digitalisierung. Vernetzungen im Internet erzeugten "durchaus auch solidarische Effekte und erleichtern die Kooperation und die Kommunikation".

Vor diesem Hintergrund bedeute die Corona-Krise auch eine Chance zur digitalen Modernisierung der Arbeits- und Kommunikationsformate, sagte der Fachmann. Die müssten für die Zukunft unbedingt erhalten bleiben: "So spart man Aufwand und CO2."

Sein Netzwerk stehe hinter den noch Wochen geltenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, sagte Klein: "Wir alle haben verstanden, dass es um sehr gute gesundheitspolitische Gründe geht." Doch seien auch klare Ausstiegs-Kriterien erforderlich, um den für Demokratie und Zivilgesellschaft sehr belastenden Ausnahmezustand dann auch wieder zu beenden.

Weil derzeit noch völlig offen ist, wie lange die Kontaktsperren noch gelten, befürchtet Klein "einen Einbruch bei Vereinen und Einrichtungen aus ökonomischen Gründen". Unklar sei auch, ob staatliche Unterstützungsprogramme diese Einbußen aufzufangen in der Lage seien.

Unabhängig davon werde jedoch zivilgesellschaftliches Engagement in den Feldern von Pflege und Gesundheit - wie die Arbeit dort - künftig deutlich mehr Würdigung erfahren, sagte Klein: "Das bezieht sich dann auch auf die Löhne und Gehälter." Insgesamt dürfte der dynamische Schub der Digitalisierung in der Zivilgesellschaft zu den großen Folgen der Corona-Krise gehören.