Obdachloseneinrichtungen kämpfen mit Corona-Verboten

Obdachloseneinrichtungen kämpfen mit Corona-Verboten
Mainzer Arzt beklagt fehlende Hilfen für Wohnungslose
Für Obdachlose bedeutet die Corona-Pandemie eine Verschärfung ihrer ohnehin schwierigen Lebenssituation. In Berlin suchen Behörden und Obdachloseneinrichtungen intensiv nach Wegen, Wohnungslose zu schützen.

Berlin, Mainz (epd). Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lebenssituation vieler Wohnungsloser drastisch zugespitzt. In Berlin stellen die verschärften Kontaktverbote die Obdachloseneinrichtungen und die Behörden vor neue Herausforderungen. Schlafstätten von Obdachlosen beispielsweise unter Brücken müssten eigentlich aufgelöst werden. Der in Mainz ansässige Verein "Armut und Gesundheit in Deutschland" forderte am Montag, die Kommunen müssten dringend Pläne zur Versorgung Obdachloser mit Lebensmitteln und zur Unterbringung von Infizierten erstellen.

Der Vereinsvorsitzende Gerhard Trabert sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), viele Kommunen hätten die Auszahlung von Tagessätzen an wohnungslose Hartz-IV-Empfänger eingestellt. Viele Tafeln und andere Hilfseinrichtungen seien ebenfalls geschlossen, die Wohnheime und die wenigen noch geöffneten Anlaufstellen überfüllt.

"Jetzt fallen auch noch die Einnahmen vom Betteln weg, denn die Städte sind ja leer", sagte der Arzt, der seit vielen Jahren wohnungslose Menschen im Rhein-Main-Gebiet versorgt. Viele Wohnungslose hätten nun nichts mehr zu essen. Unter ihnen gebe es auch viele Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, was sie jetzt zu besonders gefährdeten Personen mache. Um sie zu schützen, müssten die Behörden auch Zimmer in Hotels und Jugendherbergen zur Unterbringung heranziehen, forderte Trabert.

Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) will wegen der Corona-Pandemie neue Unterkunftsmöglichkeiten für Obdachlose in der Bundeshauptstadt schaffen. "Wir brauchen einen Rettungsschirm für Obdachlose", sagte Breitenbach. Die Angebote sollten aus Infektionsschutzgründen deutlich über eine Notübernachtung hinausgehen.

Die obdachlosen Menschen zu ihrem eigenen Schutz von der Straße zu bekommen, "kriegen wir nicht so schnell gelöst", sagte Jens Aldag von der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe. Träger und Behörden versuchten auf allen Ebenen neue entsprechende Angebote zu stemmen. "Aber an einige der Menschen werden wir gar nicht herankommen", sagte Aldag.

In den bestehenden Obdachloseneinrichtungen wie Notübernachtungen und Nachtcafés seien die Vorgaben wie das Verbot von Ansammlungen und ein Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen den Menschen schwer umzusetzen, sagte Aldag. Fast alle der ehrenamtlichen Nachtcafés hätten aus Infektionsschutzgründen bereits ihren Betrieb eingestellt, andere Einrichtungen reduzierten ihre Platzangebote.

Die Reduzierung der Angebote sei bereits deutlich spürbar, sagte die Sprecherin der Berliner Stadtmission, Barbara Breuer. In der Notübernachtung in der Lehrter Straße hätten am Sonntag statt der sonst üblichen 120 plötzlich 150 Menschen Einlass begehrt.

Die Berliner Kältehilfe mit ihren rund 1.200 Schlafplätzen während der Wintermonate läuft turnusgemäß Ende März aus. Sie umfasste unter anderem 29 Notübernachtungen, 14 Nachtcafés, eine Wärmehalle sowie Tagesstätten, Suppenküchen und Angebote medizinischer Versorgung sowie der Wärmebus des DRK.

Der Verein "Armut und Gesundheit in Deutschland" betreibt trotz der Pandemie weiter seine Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz in Mainz. "Wir wollen auf jeden Fall die Arbeit aufrecht erhalten", sagte Trabert. Da viele ehrenamtliche Helfer selbst schon über 60 Jahre alt sind, sei das Angebot jedoch reduziert worden.

epd lmw/lob jup