Regierungschefs wollen öffentliches Leben drastisch einschränken

Regierungschefs wollen öffentliches Leben drastisch einschränken
Sogar Gottesdienste sollen wegen Coronavirus verboten werden
Bund und Länder wollen die Sozialkontakte der Bürger wegen Ansteckungsgefahr noch drastischer beschneiden. Bundesweit sollen Kneipen und Freizeiteinrichtungen schließen. Veranstaltungen in Kirchen und anderen Gotteshäusern sollen verboten werden.
16.03.2020
epd
Von Corinna Buschow (epd)

Berlin (epd). Auch im Kanzleramt werden die Menschen in Zeiten des Coronavirus auseinandergerückt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montagabend vor die Presse tritt, um die mit den Ländern besprochenen Leitlinien mit weiteren Einschnitten ins öffentliche Leben zu erläutern, sitzen die Journalisten weit auseinander. Gut anderthalb Meter dürften die Stühle voneinander entfernt sein. Die Botschaft ist schon visuell klar: Kontakte sollen vermieden werden.

Das ist auch das Ziel der von den Regierungen in Bund und Ländern vereinbarten Empfehlungen, wie Merkel erläuterte. Die wirksamste Maßnahme, um diese Infektion zu verringern, sei das Erhöhen der Distanz. Beschlossen wurden drastische Maßnahmen, mit denen ein Großteil des öffentlichen Lebens in der kommenden Zeit zum Erliegen kommen dürfte. Es seien Maßnahmen, "die es so in unserem Land noch nicht gegeben hat", sagte die Kanzlerin. Sie seien einschneidend, aber notwendig.

So sollen Zusammenkünfte von Vereinen, Veranstaltungen von Volkshochschulen und Musikschulen, Sport- und andere Freizeitangebote verboten werden. Die normalen Schulen sind in den meisten Bundesländern bereits geschlossen oder werden es in den nächsten Tagen. Untersagt werden sollen auch Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Begegnungen anderer Glaubensgemeinschaften. Gemeint seien damit etwa Gottesdienste, erläuterte Merkel. Die überwiegende Mehrheit der Kirchen hatte bereits am vergangenen Wochenende Gottesdienste und andere Veranstaltungen aufgrund der Ansteckungsgefahr abgesagt.

Die Leitlinien unterstreichen zudem, welche Läden nicht geschlossen werden sollen, darunter der Lebensmitteleinzelhandel, Wochenmärkte, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Friseure, Reinigungen, Baumärkte und weitere. Für diese Bereiche sollen auf Empfehlung von Bund und Ländern sogar "Sonntagsverkaufsverbote bis auf weiteres grundsätzlich ausgesetzt werden". Bars, Kneipen, Kultureinrichtungen, Prostitutionsstätten und Sporteinrichtungen sollen dagegen schließen. In manchen Bundesländern ist dies bereits der Fall. Schließen sollen auch alle nicht in den Leitlinien genannten Läden, insbesondere Outlet-Center, sowie Spielplätze.

Zudem empfehlen Bund und Länder Besuchsregelungen für Krankenhäuser, Pflegeheime und ähnliche Einrichtungen zu erlassen, die zum Ziel haben, den Kontakt zu alten und kranken Bewohnern möglichst einzuschränken.

Bayern hatte am Montag als erstes Bundesland wegen des Coronavirus den Katastrophenfall ausgerufen und Einschnitte im öffentlichen Leben angeordnet. Auch Baden-Württemberg hatte am Montag angekündigt, zahlreiche Einrichtungen zu schließen, darunter Schwimmhallen, Fitnessstudios und Museen. Berlin hatte bereits am Wochenende Kneipen, Bars, Sportstätten und andere Freizeiteinrichtungen schließen lassen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wandte sich angesichts der drastischen Einschnitte am Montag per Videobotschaft an die Bürger. "Wir werden das Virus besiegen", sagte er darin und bat darum, vernünftig und solidarisch zu sein. Er warb um Verständnis für "einschneidendes Handeln" der Politik. "Halten wir heute voneinander Abstand - damit wir uns morgen wieder umarmen können", sagte Steinmeier.