Armutsforscher: Corona-Krise trifft sozial Benachteiligte hart

Armutsforscher: Corona-Krise trifft sozial Benachteiligte hart
16.03.2020
epd
Von Markus Jantzer (epd)

Köln (epd). Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge befürchtet, dass die Corona-Epidemie und ihre Folgen Menschen mit niedrigem Einkommen härter trifft als Besserverdienende. "Wirtschaftliche Krisen treffen zuerst die Einkommensschwachen. Das gilt für prekär Beschäftigte, Leiharbeiter ebenso wie für Soloselbstständige, die über zu geringe finanzielle Rücklagen verfügen, um eine ökonomische Durststrecke überstehen zu können", sagte der Armutsforscher dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Auch bei der Betreuung von Kindern, die wegen Kita-und Schulschließungen zu Hause bleiben müssen, sieht der Kölner Wissenschaftler Menschen mit besser bezahlten Jobs im Vorteil. "Je höher die berufliche Position ist, umso leichter lässt sich das Betreuungsproblem durch Homeoffice lösen, weil es dann eher um eine Schreibtischtätigkeit geht", sagte er. Alleinerziehende, die zur Betreuung ihrer Kinder gerne auf die Großeltern zurückgreifen, könnten wegen der höheren gesundheitlichen Gefährdung älterer Menschen in der Corona-Krise auf diese Unterstützung derzeit nicht zählen.

Butterwegge sieht außerdem die ältere Generation stark belastet. "Besonders jene alten Menschen, die arm sind, haben in der Regel wenige Sozialkontakte. Gerade für sie wäre es deshalb wichtig, öffentliche Plätze, Einrichtungen und Veranstaltungen aufsuchen zu können, um nicht völlig zu vereinsamen." Wenn nun Besuche im Seniorenheim ausfallen, wachse die Gefahr der sozialen Isolation.

Laut Butterwegge sind sozial Benachteiligte stärker als Bessersituierte auf öffentliche Einrichtungen angewiesen, die für sie Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen erbringen. Für sie könne etwa die Schließung des Jobcenters problematisch sein, "weil ihnen die Anlaufstelle fehlt".

Der Sozialforscher schlägt eine zeitlich begrenzte Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes und der Sozialhilfe vor: "Da es jetzt noch wichtiger ist, Obst und Gemüse zu essen, wäre die befristete Gewährung eines Ernährungszuschlags von circa 100 Euro monatlich auf den Regelbedarf sinnvoll."

Die Corona-Pandemie bietet nach Butterwegge Auffassung aber auch Chancen. "Beispielsweise könnte sich die Erkenntnis verbreiten, dass Solidarität der Bevölkerung mehr nützt als Wettbewerbswahn und Ellenbogenmentalität. Dann hätte der Virus am Ende auch etwas Gutes bewirkt", sagte Butterwegge.