Zeitung: Kanzleramt pfeift Minister bei Lieferkettengesetz zurück

Zeitung: Kanzleramt pfeift Minister bei Lieferkettengesetz zurück
Im Einsatz gegen Kinderarbeit und Lohndumping setzen sich die Minister Müller und Heil gemeinsam für ein Lieferkettengesetz ein. Jetzt hat das Kanzleramt sie offenbar gebremst.

Berlin (epd). Das Bundeskanzleramt hat einem Medienbericht zufolge Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei ihren Plänen für ein Gesetz gegen Dumping und Ausbeutung in globalen Lieferketten vorerst gestoppt. Das berichtete das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (RND/Dienstag) unter Berufung auf Regierungskreise. Müller und Heil hatten das Vorhaben im Laufe des Tages öffentlich vorstellen und konkretisieren wollen. Hilfsorganisationen und Menschenrechtsgruppen kritisierten den Aufschub.

Vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) soll Einwände gegen eine gesetzliche Regelung zum jetzigen Zeitpunkt geltend gemacht haben und auf die von der Regierung gemachte Zusagen pochen, wonach die Unternehmen noch bis Ende 2020 Zeit haben, die im "Nationalen Aktionsplan (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte" vorgesehen Sorgfaltspflichten umzusetzen. "Gesetzliche Regelungsvorschläge zum jetzigen Zeitpunkt wären verfrüht", teilte das Wirtschaftsministerium dem RND mit.

Ein Sprecher des Arbeitsministeriums wollte zu dem Medienbericht nichts sagen. Die Absage sei aufgrund der aktuellen Situation infolge des Coronavirus aus terminlichen Gründen erfolgt, hieß es. Das Entwicklungsministerium äußerte sich zu dem Artikel zunächst ebenfalls nicht.

Im "Nationale Aktionsplan" heißt es: Wenn weniger als die Hälfte der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, wird "die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen". Seit dem vergangenen Sommer laufen unter Federführung des Auswärtigen Amtes Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen, die derzeit noch andauern. Bislang waren Müller und Heil mit der Resonanz und den Ergebnissen nicht zufrieden.

Die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, bezeichnete es als "unverständlich und bedauerlich", dass Müller und Heil bei ihrem Vorhaben "so viel Gegenwind bekommen". Ein Lieferkettengesetz sei überfällig. "Was in Deutschland verboten ist - zum Beispiel ausbeuterische Kinderarbeit - darf nicht länger bei ausländischen Zulieferern deutscher Unternehmen geduldet werden."

Die "Initiative Lieferkettengesetz" erklärte, eine "Blockade des Lieferkettengesetzes durch das Kanzleramt wäre völlig inakzeptabel". Denn wirtschaftliche Interessen dürften niemals wichtiger sein als Menschenrechte und Umweltschutz, erklärte Johanna Kusch, Sprecherin des Netzwerks. In dem Bündnis haben sich gut 90 Organisationen zusammengeschlossen, darunter Umweltverbände, Gewerkschaften und kirchliche Akteure.

Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Uwe Kekeritz, teilte mit: "Es ist unerträglich, dass Kanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium die Diskussion über ein Lieferkettengesetz abwürgen." So werde ein zentraler Baustein für eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik torpediert und der effektive Schutz von Umwelt und Menschenrechten in globalen Lieferketten sabotiert.

Die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte, Gyde Jensen (FDP), erklärte: "Der Nationale Aktionsplan der großen Koalition war von Anfang an zum Scheitern verurteilt." Es könne nicht sein, dass die Menschenrechte nun im Streit um Zuständigkeiten hinten runterfallen. "Unternehmen mit einem Fragebogen anzuschreiben und echte Erkenntnisse für einen Gesetzesentwurf zu erwarten, ist im besten Fall naiv, eher aber Arbeitsverweigerung." Die Politik müsse ihre Erwartungen an die Wirtschaft deutlich kommunizieren.

Der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Christoph Hoffmann begrüßte indes, dass das Vorhaben gestoppt worden sei. "Ein nationaler Alleingang mit einem Lieferkettengesetz wäre sowohl für die deutsche Wirtschaft als auch für die Staaten des globalen Südens kontraproduktiv", erklärte er. Es sei zudem völlig undenkbar, dass deutsche Unternehmer für eventuell gemachte Fehler von Dritten im Ausland haften sollten.