Gutachten: In den Altenheimen fehlen vor allem Assistenzkräfte

Gutachten: In den Altenheimen fehlen vor allem Assistenzkräfte
Wie viel mehr Personal bräuchten die Altenheime in Deutschland und welches? Diese Frage wird nun erstmals wissenschaftlich beantwortet und soll dazu führen, dass es künftig einheitliche Vorgaben geben kann - aber nicht dieselben für jedes Heim.

Berlin (epd). Der Personalmangel in den Altenheimen ist vor allem ein Mangel an Assistenzkräften für die Pflege. Das geht aus einem Gutachten der Universität Bremen hervor, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Der Pflegeökonom Heinz Rothgang geht darin davon aus, dass insgesamt 36 Prozent mehr Pflegekräfte gebraucht werden, um die hohe Arbeitsbelastung zu senken und die Pflegebedürftigen so zu versorgen, wie es nötig wäre - ganz überwiegend qualifizierte Pflegehelferinnen und -helfer. Ein durchschnittliches Heim mit 100 Bewohnern müsste 55 Pflegekräfte haben statt der heute üblichen 40. Bundesweit käme das einem Zuwachs von 320.000 auf 440.000 Pflegekräfte gleich.

Im Vergleich zum Ist-Zustand würden 69 Prozent mehr Assistenzkräfte mit einer ein- bis zweijährigen Ausbildung benötigt, erläuterte Rothgang, während die Zahl der Fachkräfte um 3,5 Prozent steigen müsste. Umgerechnet bedeute dies, dass gegenwärtig rund 100.000 Assistenzkräfte in den Altenheimen fehlten, sagte Rothgang.

Der Pflege-Experte hat mit einer Wissenschaftlergruppe im Auftrag der Pflegeselbstverwaltung - also unter anderem der Pflegekassen und -anbieter - ermittelt, wie in den Pflegeheimen gearbeitet wird, um herauszufinden, wie künftig der Personalbedarf eines Heims anhand möglichst einheitlicher Kriterien berechnet werden kann.

Im Ergebnis haben die Forscher festgestellt, dass die Fachkräfte stärker leiten, organisieren und anleiten müssten, während deutlich mehr Assistenzkräfte sich um die körperlichen und menschlichen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen kümmern sollten. Das Verhältnis von Fach- zu Hilfskräften sei allerdings vom Pflegegrad der Heimbewohner abhängig. Je mehr stark pflegebedürftige Menschen ein Heim versorgt, umso mehr Fachkräfte müssten im Einsatz sein, erklärte Rothgang. Er plädierte dafür, keine starren Quoten vorzugeben, sondern sie nach der Zusammensetzung der Bewohnerschaft zu ermitteln.

Pflege-Anbieter und der Spitzenverband der Pflege- und Krankenkassen begrüßten das Gutachten. Auf dem Arbeitsmarkt gebe es zu wenige Fachkräfte, das Angebot an Assistenzkräften sei größer, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der privaten Pflege-Anbieter. Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie Deutschland sagte, allein eine gute Personalbemessung werde die Probleme nicht lösen. Pflegekräfte müssten besser bezahlt und zugleich die Pflegebedürftigen von den steigenden Eigenanteilen entlastet werden.

Der Anteil an Fachkräften in der stationären Altenpflege variiert von Bundesland zu Bundesland und liegt im Bundesdurchschnitt bei etwa 50 Prozent. Den Heimträgern gelingt es derzeit nicht, die zusätzlichen 13.000 Stellen zu besetzen, für die die Bundesregierung Geld zur Verfügung gestellt hat. Ein Grund ist der Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt.

Die Ausgaben für das zusätzliche Personal würden sich dem Gutachten zufolge insgesamt auf jährlich etwa vier Milliarden Euro belaufen. Das neue Personalbemessungsinstrument soll schrittweise über eine Dauer von mehreren Jahren eingeführt werden. Dazu ist eine gesetzliche Grundlage notwendig. Bisher ist gesetzlich nur vorgesehen, überhaupt ein einheitliches Verfahren entwickeln zu lassen. Der Abschlussbericht zu den bisher präsentierten Ergebnissen soll Ende Juni vorliegen.