Loewy: Antisemitismus wird nicht ernst genommen

Loewy: Antisemitismus wird nicht ernst genommen
25.01.2020
epd
epd-Gespräch: Dieter Schneberger

Frankfurt a.M., Hohenems (epd). Der Direktor des Jüdischen Museums im österreichischen Hohenems, Hanno Loewy, beklagt eine gewisse Ignoranz im Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland. "Ich bezweifle, dass man die Judenfeindlichkeit, die aus der Mitte der Gesellschaft kommt, überhaupt ernst nimmt", sagte der 58-jährige Medienwissenschaftler und Publizist in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Mainstream-Diskurs versuche stattdessen, den Antisemitismus an die muslimischen Einwanderer zu delegieren, führte der Gründungsdirektor des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts aus. Darüber hinaus werde so getan, als ob Kritik an der Politik Israels per se antisemitisch sei. Dies spiegele auch der Bundestagsbeschluss vom Mai vergangenen Jahres, "der nicht nur die umstrittene BDS-Bewegung geradezu kriminalisiert, sondern auch jede Diskussion darüber tabuisiert, ob Israel ein jüdischer Staat oder ein demokratischer Staat seiner Bürger ist".

Im Kampf gegen den Antisemitismus sei auch die Pädagogik hilfreich, sagte Loewy. Es gebe dazu bereits spannende Projekte. Man könne etwa im multikulturellen Klassenzimmer die Frage nach Zugehörigkeit stellen und sich damit auseinandersetzen, "welche Rolle die Fantasie von Volksgemeinschaft und von erfundenen Feinden im Nationalsozialismus gespielt hat, wie Inklusion und Ausschluss hergestellt wurden".

Auch mit einer Ausstellung könne man manches bewirken, fügte Loewy hinzu. Sie dürfe allerdings nicht als "Besserwisserei" rüberkommen, sondern als Ort, wo Menschen eingeladen werden, etwas Neues zu entdecken und sich selbst zu befragen. Das Jüdische Museum Hohenems bringe gerade ein Projekt auf den Weg, wie man mit Multiplikatoren aus islamischen Gemeinschaften über Themen wie Judentum, Antisemitismus und Nahost reden kann. "Und zwar so, dass es nicht denunziatorisch ist."

Der Museumsdirektor äußerte sich auch zur künftigen Gestaltung des Holocaustgedenktages am 27. Januar. Nach dem Ende der Zeitzeugenschaft blieben die Erinnerungen der Opfer in Büchern, in historischen Filmdokumentationen, in Video-Interviews, in Ausstellungen und Bildungsprojekten.

Seit neuestem versuche man, Überlebende der NS-Zeit gar als Hologramme unsterblich zu machen. Dabei würden Hunderte Antworten eines Zeitzeugen zu seiner Lebensgeschichte digital von Dutzenden Kameras aufgezeichnet und dreidimensional projiziert. Man könne dieser Simulation Fragen stellen, und ein Algorithmus spucke die Antwort aus, die am besten passt. "Was dabei herauskommt, ist freilich weniger authentisch als jedes Videointerview auf einem Bildschirm", kritisierte Loewy. "Die Fragen und Antworten sind konfektioniert und immer wieder dieselben. Spontan und lebendig ist daran nichts."