Bundestag debattiert abschließend über neue Regeln für Organspende

Bundestag debattiert abschließend über neue Regeln für Organspende
In der Schluss-Debatte des Bundestags werben Gegner und Befürworter einer Neuregelung der Organspende für ihre Position. Nur die Widerspruchsregelung werde zu mehr Spenden führen, sagen die einen. Eine Spende müsse freiwillig bleiben, die anderen.

Berlin (epd). In der abschließenden Debatte des Bundestags haben Gegner und Befürworter einer Neuregelung der Organspende eindringlich für ihre Positionen geworben. Die Abgeordneten müssen an diesem Donnerstag in Berlin darüber entscheiden, ob künftig jeder ein potenzieller Spender ist, der dem nicht ausdrücklich widersprochen hat, oder weiterhin nur diejenigen, die ihre Spendenbereitschaft zu Lebzeiten erklärt haben.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warb für die Widerspruchslösung. Ohne sie "werden wir nichts ändern", sagte er und verwies auf höhere Spendenzahlen in Ländern, die die Widerspruchsregelung haben. Jedes Jahr stürben in Deutschland 1.000 Menschen, während sie auf ein Spenderorgan warten, mehr als 10.000 stünden auf den Wartelisten. Die Widerspruchslösung sei "eine einfache unbürokratische Regelung, wie man zum Spender wird", sagte Lauterbach. Sie bedeute keine Pflicht zur Spende. Es sei aber unethisch, selbst ein Organ nehmen zu wollen, zugleich aber nicht bereit zu sein, Nein zu sagen, wen man nicht spenden wolle, sagte Lauterbach.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, die mit einer Abgeordneten-Gruppe den Gegenantrag zur Widerspruchslösung eingebracht hatte, sagte, Deutschland könne die Regeln aus anderen Ländern nicht einfach kopieren. Das Grundgesetz schreibe vor, das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen zu respektieren: "Der Mensch gehört sich selbst, ungefragt, ohne Widerspruch", sagte Baerbock. Auch diejenigen, die gegen die Widerspruchslösung seien, wollten Leben retten. Deshalb wolle man mit einer erweiterten Zustimmungsregelung dafür sorgen, dass sich mehr Menschen leichter für eine Spende entscheiden und in ein Online-Register eintragen könnten.

Fast alle Rednerinnen und Redner betonten, sie teilten das Ziel, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Wie bei ethischen Themen üblich, entscheiden die Abgeordneten nach der etwa zweistündigen Debatte unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit. Die AfD hat als Fraktion einen eigenen Antrag eingebracht, der aber als chancenlos gilt. Detlev Spangenberg (AfD) sagte, es sei der falsche Weg, Menschen zu einer Entscheidung zu zwingen, die das nicht wollten. Niemand habe das Recht, den moralischen Zeigefinger zu heben über Ängstliche und Zaudernde.

Thomas Rachel (CDU) betonte, die Organspende verdiene aus christlicher Perspektive höchste Anerkennung als Akt der Nächstenliebe und Solidarität über den Tod hinaus. "Nächstenliebe kann aber nicht staatlich eingefordert werden, sondern gedeiht nur dort, wo es auch Freiheit gibt." Da der Mensch seine Würde im Sterben und im Tod behalte, dürfe die Freiheit bei dieser sensiblen Entscheidung durch den Staat nicht beschnitten werden. Beide Kirchen hatten sich gegen die Widerspruchsregelung ausgesprochen.

Gitta Connemann (CDU) erzählte vom Schicksal ihres Mitarbeiters, 33 Jahre, der gerade Vater geworden war, als eine lebensgefährliche Erkrankung bei ihm festgestellt wurde. Er habe drei Monate gewartet auf den Anruf: "Wir haben ein Organ für Sie." Dann sei er gestorben. "Wir entscheiden heute über Zeit, sagte Connemann in einer eindringliche Rede: Nicht nur um Wartezeit. „Wir entscheiden heute über Lebenszeit."

Vor der abschließenden Beratung hatte der Antrag für eine sogenannte Widerspruchsregelung um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lauterbach mehr Unterstützer als die Abgeordnetengruppe, die sich für eine erweiterte Zustimmungslösung einsetzt. Spahn und Lauterbach wollen, dass jeder, der zu Lebzeiten nicht widersprochen hat, ein möglicher Organspender wird. Die andere Gruppe um Baerbock, Linken-Chefin Katja Kipping und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) will an der jetzigen Regelung festhalten aber erreichen, dass mehr Bürger zu einer Organspende bereit sind. Dazu soll es regelmäßige Abfragen ihrer Spendenbereitschaft geben.