Merkel in Auschwitz: "Ich empfinde tiefe Scham"

Merkel in Auschwitz: "Ich empfinde tiefe Scham"

Frankfurt a.M. (epd). Bei einem Besuch im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur bleibenden deutschen Verantwortung für den Holocaust bekannt. "Auschwitz war ein deutsches, von Deutschen betriebenes Vernichtungslager", sagte Merkel am Freitag in Auschwitz. Die Verantwortung der Deutschen werde niemals enden. "Sie ist nicht verhandelbar. Sie ist fester Teil unserer Identität", sagte die Kanzlerin.

Merkel besuchte erstmals in ihrer Amtszeit das frühere Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen. Nur zwei Bundeskanzler waren vor Merkel in Auschwitz: Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU). Offizieller Anlass für Merkels Besuch war das zehnjährige Bestehen der Stiftung Auschwitz-Birkenau.

Merkel sagte zu Beginn ihrer Rede, dass es ihr alles andere als leicht falle, an diesem Ort zu stehen. "Ich empfinde tiefe Scham angesichts der barbarischen Verbrechen, die hier von Deutschen begangen wurden." Sie erinnerte an die sechs Millionen Juden, die im Zweiten Weltkrieg ermordet wurden, aber auch an andere verfolgte Gruppen wie Sinti und Roma, Widerstandskämpfer oder Menschen mit Behinderungen.

Ferner erinnerte Merkel daran, dass das heutige jüdische Leben in Deutschland und die guten Beziehungen zu Israel keine Selbstverständlichkeiten seien. Gerade in diesen Tagen sei das keine Rhetorik, sagte die Bundeskanzlerin. "Wir erleben einen besorgniserregenden Rassismus, wir erleben einen Angriff auf die Demokratie und einen gefährlichen Geschichtsrevisionismus." Alle Juden müssten sich jedoch in Deutschland und in Europa sicher fühlen, forderte Merkel.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki appellierte in seiner Ansprache, die Erinnerung über die Verbrechen von Nazi-Deutschland wachzuhalten. "Wir sind verpflichtet, diese Erinnerung weiterzutragen", sagte Morawiecki. Zu den Rednern zählte neben Kanzlerin Merkel und dem polnischen Ministerpräsidenten auch der Auschwitz-Überlebende Bogdan Stanislaw Bartnikowski. Er erzählte von seiner traumatischen Zeit in Auschwitz. Als damals 12-Jähriger wurde er mit seiner Mutter in das Konzentrationslager deportiert.

An Donnerstag hatte Deutschland bekanntgegeben, seine Unterstützung für den internationalen Fonds der Stiftung Auschwitz-Birkenau von 60 auf 120 Millionen Euro zu erhöhen. "Dieser Ort legt Zeugnis ab und dieses Zeugnis gilt es zu erhalten", begründete Merkel den Schritt. Das Geld fließt laut Stiftung in den Stiftungsfonds, aus dem der Erhalt der Überreste des ehemaligen Vernichtungs- und Konzentrationslagers finanziert wird.

Am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung von Auschwitz durch die sowjetische Armee zum 75. Mal. Der 27. Januar ist in Deutschland seit 1996 und weltweit seit 2005 Holocaust-Gedenktag. In Auschwitz-Birkenau wurden 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen aus ganz Europa ermordet, die meisten von ihnen Juden.