Es grassiere eine "unerträgliche Maßlosigkeit und blinde Emotionalisierung". Diese Sprache habe sich in weiten Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses eingebürgert. "Wir brauchen eine neue Sorgfalt im Streit, Respekt im Umgang und eine Sprache, die Präzision über die billige Pointe stellt und Anstand und Argument vor Anrempelung und Attacke setzt", sagte die 56-jährige Theologin, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Eine neue Haltung der Anerkennung und Achtung
Gezielte Lüge und Beleidigungen, die Herabsetzung von Minderheiten und politischen Gegnern sowie Drohungen gegen Leib und Leben von engagierten Menschen schlügen "immer öfter um in physische Gewalt bis hin zum Mord", warnte Kurschus. Sie forderte eine neue Haltung der Anerkennung und Achtung für Menschen, die sich etwa als Kommunalpolitiker, Sanitäter oder Polizisten für das Gemeinwesen einsetzen.
Alarmiert zeigte sich Kurschus in ihrem Bericht über Erfolge rechtsradikaler Parolen und einen breiten Rückhalt antidemokratischer Kräfte. "Das Vertrauen in unsere Demokratie ist bis ins Mark erschüttert, der Zusammenhalt in unserem Land und erst recht in Europa bröckelt erheblich, der Friede in unserer Welt ist empfindlich in Gefahr", sagte sie. "Das Spiel mit den Ängsten der Menschen, mit ihrer Sehnsucht nach Sicherheit, mit ihrer Suche nach überzeugenden politischen Antworten in einer überkomplexen Welt ist perfides politisches Kalkül."
Rechtspopulismus und rechtsnationaler Terror machten sich bedrohlich breit in Deutschland, beklagte die Präses, die sich nach achtjähriger Amtszeit am Mittwoch zur Wiederwahl stellt. Sie kämen in der Mitte der Gesellschaft mit Macht an die Oberfläche "und reißen andere mit hinein in ihre Dummheit und ihren Wahn". Angesichts dieser Entwicklungen müssten Christen Zivilcourage zeigen und sich mit Juden solidarisieren.