Neubrandenburg (epd). Mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Mecklenburgs will der Hamburger Erzbischof Stefan Heße "den Betroffenen eine Stimme geben". Die Kirche sei "lange genug geschichtsvergessen gewesen", sagte Heße am Montagabend in Neubrandenburg bei der öffentlichen Auftaktveranstaltung für die wissenschaftliche Untersuchung durch ein Forscherkonsortium der Universität Ulm. Im Fokus steht der Zeitraum von 1945 bis 1989. Zwei Jahre lang wollen Forscher Betroffene durch anonymisierte Interviews oder Fragebögen erfassen.
Dabei soll auch untersucht werden, inwieweit das DDR-System den Missbrauch begünstigt hat und welche Rolle die Staatssicherheit dabei spielte. Einer Studie aus dem Jahr 2018 zufolge ist die Zahl von 54 Kindern und Jugendlichen sowie 17 beschuldigten Priestern in Mecklenburg etwa so hoch gewesen wie in Hamburg und Schleswig-Holstein zusammen. "Wir möchten allen Betroffenen Mut machen, sich zu melden", sagte die Leiterin der Studie und Professorin für forensische Psychiatrie, Manuela Dudeck.
Dabei sehe sie deutlich das "moralische Dilemma", dass die Opfer Wissenschaftlern vertrauen müssten, die von der katholischen Kirche bezahlt werden, fügte Dudeck hinzu. Die Studie zu Mecklenburg, das inzwischen zum Erzbistum Hamburg gehört, soll 2022 abgeschlossen sein. Laut dem Leiter des Diözesanarchivs des Erzbistums Hamburg, Martin Colberg, erhalten die Forscher erstmals Zugang zu Archiven, den sie bisher nicht hatten. Auch Stasi-Archive würden einbezogen.