Seenotretterin wird Klimaaktivistin

Carola Rackete aus Kiel, deutsche Kapitänin der "Sea-Watch 3", schreibt Buch zum Klimaschutz "Handeln statt Hoffen".
©Till M. Egen/Sea-Watch.org/dpa
Carola Rackete aus Kiel, deutsche Kapitänin der "Sea-Watch 3", an Bord des Rettungschiffs. Sie schrieb ein Buch zum Klimaschutz unter dem Titel "Handeln statt Hoffen".
Seenotretterin wird Klimaaktivistin
Carola Rackete stellt westlichen Lebensstil infrage
Eigentlich ist sie als mutige Kapitänin eines Flüchtlingsrettungsschiffs berühmt. Nun will sich Carola Rackete öffentlichkeitswirksam für den Klimaschutz engagieren. Dazu hat sie unter dem Titel "Handeln statt Hoffen" ein Buch veröffentlicht.

Berlin (epd). In nur 21 Tagen erlangte Carola Rackete internationale Berühmtheit. Als Kapitänin des Seenotrettungsschiffes "Sea-Watch 3" widersetzte sie sich im Juni 2019 der italienischen Regierung, vor allem dem damaligen rechtspopulistischen italienischen Innenminister Matteo Salvini. Nach rund dreiwöchigem Warten fuhr Rackete trotz Verbots der Behörden den Hafen der Insel Lampedusa an. Sie brachte damit 53 Flüchtlinge in Sicherheit, die im Mittelmeer in Seenot geraten waren.

Die vielbeachtete Aktion stieß auf ein geteiltes Echo. Rackete kam mehrere Tage in Hausarrest. Die Ermittlungen der italienischen Justiz dauern an.

Nun nutzt Carola Rackete ihre Berühmtheit, um sich für den Klimaschutz zu engagieren. Sie ist Mitglied der Bewegung "Extinction Rebellion" und trat zuletzt unter anderem bei "Fridays for Future"-Demonstrationen als Rednerin auf. Am Mittwoch hat die 31-Jährige in Berlin ihr Buch mit dem Titel "Handeln statt Hoffen - Aufruf an die letzte Generation" vorgestellt.

Darin legt sie dar, wie ihrer Meinung nach weltweite Migrationsbewegungen und der Klimawandel im Zusammenhang stehen. Grund sei der Lebensstil in den nach stetigem Wachstum gierigen Industrieländern. "Solange dieses Wirtschaftssystem weiter so massive soziale Ungleichheit erzeugt und die Natur in fast allen Gegenden der Erde ausgebeutet wird, werden Menschen ihr Leben Booten anvertrauen, in die sich garantiert niemand freiwillig hineinwagen würde." Es handle sich nicht um eine "Flüchtlingskrise", sondern eine Krise der globalen Gerechtigkeit.

Rackete stellt provokante Forderungen. So ruft sie in ihrem Buch zu einem Systemwechsel auf. "Entweder wir zerstören das Gleichgewicht der Ökosysteme auf der Erde (...) oder es gibt eine globale Transformation, einen radikalen Systemwandel, der dazu führt, dass die Gesellschaft anschließend ganz anders aussehen wird als jetzt", schreibt sie. Rackete plädiert etwa für die Einführung von sogenannten Bürgerräten, deren Zusammensetzung per Los entschieden werde. Die parlamentarische Demokratie ist ihr Meinung nach festgefahren, Entscheidungen würden eher an den Interessen finanzstarker Unternehmen ausgerichtet.

Insgesamt gehe es um die Frage, "wie können wir das, was wir auf dem Planeten haben, gerecht an jeden verteilen, dass jeder genug hat". Eine neue Gerechtigkeitsverteilung müsse die Menschen im globalen Süden ebenso wie zukünftige Generationen einschließen.

Die Hauptverantwortung für Veränderungen sieht Rackete zunächst bei den den westlichen Industrienationen. Diese hätten hauptsächlich die Klimakrise verursacht und sie besäßen die Ressourcen, Veränderungen herbeizuführen. Die Zeit dafür allerdings dränge.

Ihr neues Engagement für den Klimaschutz begründet Rackete damit, dass dies ihr eigentliches Betätigungsfeld sei. Sie hatte ursprünglich Nautik und Naturschutzmanagment studiert. Seit 2011 habe sie acht Polarsommer hintereinander in der Antarktis gearbeitet. Dadurch habe sie auch nautische Zertifikate erlangt, die sie zum Steuern von Schiffen bestimmter Größe befähigen. Ihr freiwilliges Engagement für die zivile Seenotrettung im Mittelmeer habe 2016 begonnen. Dass Carola Rackete für eine Flüchtlingsrettungsaktion berühmt wurde, nennt sie einen Zufall.