Statistisches Bundesamt: Alltag spielt sich zunehmend online ab

Statistisches Bundesamt: Alltag spielt sich zunehmend online ab
Das Statistische Jahrbuch ist so etwas wie eine deutsche Chronologie in Zahlenreihen. Nach fast 70 Jahren ist es zum letzten Mal als Buch erschienen. Künftig gibt es die Daten nur noch digital. Auch das ist "Deutschland im digitalen Zeitalter".
30.10.2019
epd
Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Den Präsidenten des Statistischen Bundesamts, Georg Thiel, umwehte ein Hauch von Melancholie. "Schweren Herzens", sagte Thiel am Mittwoch in Berlin, habe man in seinem Amt entschieden, sich vom Statistischen Jahrbuch zu verabschieden. Die Buchform sei nicht mehr zeitgemäß, nach 68 Ausgaben in sieben Jahrzehnten sei nun Schluss, fasste der Präsident die Lage zusammen: "Das Jahrbuch geht, aber unsere Daten bleiben."

Das fast zweieinhalb Kilo schwere und mehr als 700 Seiten starke Zahlenwerk zwischen zwei Hardcoverdeckeln enthält alles, was die deutsche Zentral-Statistik in Wiesbaden zu bieten hat: von schiffbaren Flüssen über die Versicherten in der Künstlersozialkasse bis zum Auftragsbestand im Bauhauptgewerbe. Bei der Vorstellung der diesjährigen Zahlen im Jahrbuch 2019 konzentrierten sich Thiel und seine Leute aber auf Daten zur Digitalisierung. Sie bestätigen, was das Land bewegt: Arbeit und Privatleben verändern sich, manches geht zu langsam, der Alltag spielt sich zunehmend online ab.

Alle Bevölkerungsgruppen nutzen das Internet den Angaben zufolge heute deutlich mehr als vor zehn Jahren. 2018 waren es 90 Prozent der Bundesbürger ab zehn Jahren. Auffällig ist die Steigerung der Aktivitäten bei den Älteren. Waren 2008 nur ein Viertel der über 65-Jährigen online, sind es mittlerweile fast zwei Drittel. 40 Prozent der "Silver-Surfer" sind jeden Tag online, 2008 war es nur jeder Zehnte. Für die unter 45-Jährigen und besonders die um die 2000er Jahre geborenen "Digital Natives" ist das Internet ein selbstverständlicher Teil des privaten und beruflichen Lebens, sie seien zu 100 Prozent jeden Tag online, hieß es.

Am allerhäufigsten suchen Internetznutzer aller Altersgruppen nach Informationen über Waren und Dienstleistungen (91 Prozent) und verschicken E-Mails (89 Prozent). An dritter und vierter Stelle folgen Bankgeschäfte, Telefonate und Aktivitäten in sozialen Netzwerken. Zwei Drittel der Bürger kaufen inzwischen im Netz ein (68 Prozent), vor zehn Jahren war es nur die Hälfte. Auch die sogenannte Sharing Economy gewinnt an Bedeutung.

Junge Menschen zwischen zehn und 15 Jahren suchen insbesondere nach Filmen und Musik, für die sie nichts bezahlen müssen (90 Prozent). Knapp zwei Drittel (62 Prozent) der jungen Erwachsenen bis 25 Jahre sehen Serien, Filme und Dokumentationen bei kostenpflichtigen Anbietern wie Netflix. Wenn es um Musik über Streamingdienste wie Spotify geht, sind die Nutzerzahlen noch höher.

Die Digitalisierung in der Arbeitswelt führt dazu, dass 31 Prozent der Erwerbstätigen regelmäßig im Home Office arbeiten, davon neun Prozent täglich oder fast täglich. Das ist etwas weniger als im EU-Durchschnitt (40 Prozent). Vier von zehn Beschäftigten mussten im vergangenen Jahr den Umgang mit neuer Software oder Geräten einüben. Jeder Fünfte sagt, die Digitalisierung erspare ihm Routinearbeiten, auf der anderen Seite fühlen sich fast ebenso viele Beschäftigte stärker überwacht. Die Zahlen zeigen aber auch, dass viele Arbeitnehmer die Folgen der Digitalisierung noch nicht richtig einschätzen können: Die Mehrheit konnte keine gravierenden Veränderungen angeben oder kreuzte "weiß nicht" an.

Beim Thema "Schnelles Internet" (30Mbit/s und mehr) kommen die Statistiker zu dem Ergebnis, dass Deutschland im EU-Vergleich im Mittelfeld liegt. Die öffentliche Verwaltung kommt bei der Digitalisierung offenbar nicht übermäßig voran. Denn die Internet-Angebote der Behörden werden statistisch gesehen von der Bevölkerung heute nicht stärker genutzt als vor zehn Jahren. Die Behördenkontakte per Internet sind mit 57 Prozent im Jahr 2018 gegenüber 55 Prozent im Jahr 2008 fast gleich geblieben. Zudem ging es den Angaben zufolge dabei meistens nur um Informationssuche auf den Behörden-Websites. Nur jeder Fünfte (18 Prozent) schickte ein ausgefülltes Formular online an ein Amt zurück.