Zwei Menschen nahe einer Synagoge in Halle erschossen

Zwei Menschen nahe einer Synagoge in Halle erschossen
Im sachsen-anhaltischen Halle sind am Mittwoch zwei Menschen erschossen worden. Die Schüsse fielen in der Nähe einer Synagoge, ein Verdächtiger wurde festgenommen. Bundesinnenminister Seehofer spricht von einem antisemitischen Angriff.

Halle (epd). Entsetzen nach Todesschüssen in der Nähe eine Synagoge in Halle: Während die Stadt in Sachsen-Anhalt nach dem gewaltsamen Tod zweier Menschen am Mittwoch vorübergehend im Ausnahmezustand war, blieben die Hintergründe der Tat zunächst unklar. Am Abend erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): "Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse müssen wir davon ausgehen, dass es sich zumindest um einen antisemitischen Angriff handelt." Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts gebe es zudem "ausreichend Anhaltspunkte" für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund, ergänzte Seehofer.

Der Generalbundesanwalt hatte nach den tödlichen Schüssen rasch die Ermittlungen übernommen. Hintergrund sei, dass es sich um Mord handele und der Fall eine besondere Bedeutung habe, weil die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen sei, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

Nach Polizeiangaben fielen in Halle mehrere Schüsse. Zunächst wurde von mehreren Tätern ausgegangen, nach denen mit Hochdruck gefahndet wurde. Am frühen Nachmittag vermeldete die Polizei die Festnahme einer Person. Am Abend berichteten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Ermittlungskreise, dass es sich um einen Einzeltäter aus Sachsen-Anhalt handele. Die Bevölkerung in Halle war am Mittwoch vorübergehend aufgerufen worden, Wohnungen und Gebäude nicht zu verlassen. Am Abend wurde die Gefährdungslage aufgehoben.

In Politik und Gesellschaft sorgte die Tat für Bestürzung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der im benachbarten Leipzig die Gedenkveranstaltungen zum 30. Jahrestag der friedlichen Revolution besuchte, sagte dort: "Aus einem Tag der Freude ist ein Tag des Leids geworden." Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte: "Ich bin es leid, immer wieder entsetzt und erschüttert sein zu müssen."

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte im "Tagesspiegel" (Donnerstag) Trauer und Wut: "Ein solcher Angriff am höchsten jüdischen Feiertag ist ein Alarmzeichen, das niemanden in Deutschland unberührt lassen kann." Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte, die Tat sei auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben im Land: "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer."

Gläubige Juden feierten am Mittwoch Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag. Der sogenannte Versöhnungstag ist für viele Juden der heiligste Tag im Jahr. Die Tat an diesem Feiertag "hat unsere Gemeinschaft auf das Tiefste in Sorge versetzt und verängstigt", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Seehofer kündigte an, gemeinsam mit Schuster und dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, am Donnerstag nach Halle zu fahren, auch um mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zu sprechen.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Donnerstag): "Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen." Der oder die Täter hätten außerdem versucht, das Tor des jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte er.

Nach Medienberichten gab es auch Schüsse in einem Döner-Imbiss und im mehrere Kilometer entfernten Landsberg im Saalekreis. Eine Polizeisprecherin wollte am Mittwochnachmittag dazu jedoch mit Verweis auf die Bundesanwaltschaft keine weiteren Angaben machen. Auch zu Spekulationen zu einer Explosion auf einem jüdischen Friedhof in Halle gab es keine Angaben.

Der Zentralratsvorsitzende Schuster sagte: "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös." Diese Fahrlässigkeit habe sich bitter gerächt. "Wie durch ein Wunder ist nicht noch mehr Unheil geschehen", erklärte er.

Auch die Spitzenvertreter von evangelischer und katholischer Kirche äußerten Entsetzen und Trauer. "Ich bin entsetzt und fassungslos angesichts dieser Gräueltat", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. "Wir sind den Juden in unserem Land, unseren Schwestern und Brüdern, gerade in diesen Stunden eng im Gebet verbunden", betonte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx.

epd lob/co kfr