Seehofer: Rechtsextremismus neben Islamismus größte Bedrohung

Seehofer: Rechtsextremismus neben Islamismus größte Bedrohung
Erneut Gedenkzeichen für NSU-Opfer zerstört
Nach dem Absägen des Gedenkbaums für ein NSU-Opfer in Zwickau warnen Politiker vor der andauernden Gefahr des Rechtsextremismus. Innenminister Horst Seehofer will Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz stärken.

Berlin/Leipzig (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich besorgt über die gewaltbereite rechtsextreme Szene geäußert. "Der Rechtsextremismus ist neben dem islamistischen Terrorismus mittlerweile die größte Bedrohung in unserem Land", sagte Seehofer der "Welt am Sonntag". Er kündigte an, das Bundeskriminalamt und den Verfassungsschutz personell und organisatorisch zu stärken.

Außerdem wolle die Bundesregierung im Netz aktiver werden. Die Provider sollten nach seiner Vorstellung künftig dem Bundeskriminalamt (BKA) Hass-Postings "aktiv mitteilen, wenn diese einen Straftatbestand erfüllen", sagte der Bundesinnenminister. Wenn sich der Verdacht bestätige, sollten die Unternehmen die Bestandsdaten des Nutzers herausgeben. "Wir können den Hass im Internet nicht einfach dulden - Hass hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun", sagte der CSU-Politiker und verwies darauf, wie nach der Ermordung von Walter Lübcke in Internetkommentaren das Opfer verhöhnt und der mutmaßliche Täter gefeiert worden sei.

Im sächsischen Zwickau ist - wenige Tage nach dem Absägen eines Gedenkbaumes für das erste NSU-Opfer - in der Nacht zum Sonntag auch ein ersatzweise aufgestelltes Gedenkzeichen zerstört worden. Es handelte sich um eine Holzbank mit Inschrift zum Gedenken an die NSU-Opfer. Wie die Polizei mitteilte, hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.

Angesichts der Zerstörung des Gedenkbaums warnte auch die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, Barbara John, vor der fortbestehenden Gefahr des Rechtsterrorismus. "Für mich ist das ein Indiz für die Existenz nach wie sehr aktiver rechtsterroristischer Netzwerke, die Mord offensichtlich gut heißen", sagte John den Zeitungen des "RedaktionsNetzwerks Deutschland" (RND, Sonntag): "Wie käme man sonst auf die Idee, die Erinnerung an die Opfer anzugreifen?"

Dass es diese Netzwerke gebe, müsse die Sicherheitsbehörden aufmerksam machen, forderte John: "Sie müssen da verstärkt hingucken. Das sage ich auch im Namen der Familien, von denen ich jetzt mit einigen gesprochen habe und die entsetzt sind."

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnte vor rechter Unterwanderung in "gewissen ländlichen Regionen" Mitteldeutschlands. Im Deutschlandfunk appellierte er an die Zivilgesellschaft, entschieden gegen eine Übernahme dörflicher Strukturen durch rechte Kräfte aufzutreten.

Zwar gehörten große Rechtsrock-Konzerte der Vergangenheit an, das sei ein Erfolg, sagte der SPD-Politiker rund drei Wochen vor der Landtagswahl. Neuere Ansätze kämen aber perfider daher, sozusagen auf leisen Pfoten. So gebe es in gewissen ländlichen Regionen besonders umtriebige Rechte, die Immobilien kauften, Gaststätten betrieben und Basare sowie Liederabende veranstalteten. Sie gäben sich und ihren Aktivitäten "ein Mäntelchen des Bürgerlichen" und schafften es so, immer mehr in die Gesellschaft einzusickern.

Der Baum im Schwanenteichpark in Zwickau erinnerte an den Blumenhändler Enver Simsek aus Hessen, der im September 2000 in Nürnberg von der rechtsterroristischen NSU erschossen worden war. Er war das erste von insgesamt zehn Opfern der Terrorzelle.

epd rks