Ceylan: Islam braucht feministische Theologie

Ceylan: Islam braucht feministische Theologie
17.07.2019
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Osnabrück (epd). Die Ausbildung für islamische Religionslehrkräfte muss nach Ansicht des Osnabrücker Islam-Experten Rauf Ceylan stärker als bisher die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau thematisieren. "Genderfragen kommen im Lehramtsstudium für islamische Religion zu kurz", sagte der stellvertretende Direktor des Instituts für Islamische Theologie dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wir müssen eine feministische Theologie anregen, wie sie im Christentum bereits existiert." Gerade angehende Religionslehrkräfte müssten sich mit diesen Themen viel mehr auseinandersetzen, weil der Islam in Deutschland insgesamt noch sehr männerdominiert sei.

Das ist laut Ceylan das Ergebnis einer Studie, für die der Religionssoziologe gemeinsam mit der Oldenburger Pädagogik-Professorin Margit Stein und weiteren Mitarbeitenden alle Studierenden für islamische Religion an der Universität Osnabrück befragt hat. Das Team habe erstmals in Deutschland den seit sechs Jahren existierenden Studiengang analysiert. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Die Untersuchung solle in einem nächsten Schritt auf alle Studien-Standorte in Deutschland ausgeweitet werden. Dazu gehören Münster, Erlangen/Nürnberg, Frankfurt, Tübingen, Gießen und seit neuestem auch Berlin.

Viele der Studierenden lebten zwar sehr individualistisch in eigenen Wohnungen und nähmen für sich in Anspruch, emanzipiert und frei zu sein, betonte Ceylan. Männer wie Frauen strebten eine berufliche Karriere an. Die angehenden Religionslehrkräfte befürworteten aber gleichzeitig eine traditionelle Rollenverteilung, in der beispielsweise der Mann verpflichtet sei, die Familie zu ernähren. Die Frauen sollten sich vor allem ehrenamtlich in den Moschee-Gemeinden engagieren. "Eine kritische Selbstreflexion der angehenden Lehrkräfte in Genderfragen ist dringend erforderlich." Die Inhalte des Studiengangs und des Referendariates sollten entsprechend angepasst werden.

Die Befragung habe zudem ergeben, dass es auch an der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Religion hapere. "Viele betrachten das Studium als eine Chance, sich selbst und ihr Verhältnis zur Religion neu zu entdecken." Manche befassten sich im Studium erstmals intensiver mit dem Islam. Mit entsprechendem Enthusiasmus gingen sie dann in die Schulen. "Im Schulunterricht darf es aber nicht um Missionierung gehen." Die Kinder und Jugendlichen sollten lernen, ihre eigene Religion zu reflektieren. Sie sollten in die Lage versetzt werden, selbst über ihre Zugehörigkeit zu einer Religion zu entscheiden.