Journalistik-Professor: Grenzen von Journalismus und PR verschwimmen

Journalistik-Professor: Grenzen von Journalismus und PR verschwimmen
epd-Gespräch

Mainz (epd). Der Trend von Unternehmen, Politik und Behörden, ihre PR-Aktivitäten zulasten klassischer Pressearbeit auszubauen, könnte nach Überzeugung des Mainzer Journalistik-Professors Tanjev Schultz weitreichende Folgen haben. Versuche, Pressevertretern mit Verweis auf eigene Social-Media-Angebote die Vorort-Berichterstattung zu untersagen oder Auskünfte zu verweigern, seien inakzeptabel, sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Gefahr bestehe insbesondere bei Akteuren aus der Wirtschaft, die keine mit Behörden vergleichbaren Auskunftspflichten hätten: "Die Pressefreiheit ist nicht viel wert, wenn Journalisten de facto keinen Zugang mehr bekommen."

Schon immer habe es Versuche gegeben, beispielsweise bei Politikerreisen die Berichterstattung zu steuern und Einfluss darauf zu nehmen, welche Bilder entstehen. "Jetzt kommt da womöglich noch eine Schippe oben drauf", sagte Schultz zu Plänen verschiedener politischer Akteure, eigene Newsrooms oder Mediendienste zu etablieren. Zuletzt hatten derartige Ankündigungen der rheinland-pfälzischen Landesregierung und der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für Diskussionen gesorgt.

Pressestellen dürften in ihrer Arbeit nicht den Eindruck erwecken, sie lieferten den Nutzern sozialer Medien journalistische Inhalte, forderte der Mainzer Professor. Medienanfragen dürften auch nicht zugunsten der Produktion eigener Inhalte vernachlässigt werden. Versuche, Journalisten "links liegen zu lassen", schadeten allerdings nicht nur professionellen Journalisten: "Wenn alles nur noch schöngefärbt ist, glauben die Leute irgendwann gar nichts mehr." Daher sei es grundsätzlich problematisch, wenn sich das Verhältnis zwischen PR und Journalismus noch weiter zuungunsten der professionellen Medien verschiebe.

Die verschwimmenden Grenzen zwischen beiden Bereichen seien jedoch nicht allein von den Presse- und PR-Abteilungen der Behörden und Unternehmen zu verantworten. Insbesondere freiberufliche Journalisten seien oft aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, auch PR-Aufträge zu übernehmen. Und auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) sei offen für Mitglieder aus der PR-Branche.

Aktivitäten von Behörden und Parteien bei Social Media hält Schultz ungeachtet seiner grundsätzlichen Bedenken für unverzichtbar. Ab einer bestimmten Größe könne eine Organisation es sich mittlerweile nicht mehr leisten, darauf zu warten, dass Informationen in den etablierten Medien verbreitet werden. Auch die Beobachtung öffentlicher Debatten dürfe sich nicht mehr nur auf die morgendliche Durchsicht der Tageszeitungen beschränken. Gewisses Verständnis empfinde er für die Online-Aktivitäten staatlicher und politischer Akteure auch deswegen, weil manche Themen in den Redaktionen inzwischen kaum noch aufgegriffen würden.