Studie: Missbrauchsvorwürfe gegen Priester gehen nicht zurück

Studie: Missbrauchsvorwürfe gegen Priester gehen nicht zurück

Stuttgart (epd). Die Zahl der katholischen Priester, denen sexualisierte Gewalt an Kindern vorgeworfen wird, ist einer Untersuchung zufolge in den vergangenen Jahren nahezu unverändert geblieben. Die Anzahl sei im Zeitraum von 2009 bis 2015 in etwa konstant geblieben, heißt es in einem Artikel der Fachzeitschrift "Psychiatrische Praxis" des Georg Thieme Verlags, der am Mittwoch in Stuttgart vorgestellt wurde. Die Autoren sind Forscher unter Federführung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Die Ergebnisse basieren den Angaben zufolge auf der Analyse von mehr als 38.000 kirchlichen Personalakten.

"Es ist bemerkenswert, dass die Beschuldigungsquote von Priestern in den vergangenen Jahren nicht zurückgeht, obwohl die Deutsche Bischofskonferenz bereits 2002 Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker erlassen hat, die in den Jahren 2010 und 2013 überarbeitet wurden", wird Harald Dreßing, Leiter Forensische Psychiatrie am ZI und Verbundkoordinator der MHG Studie, zitiert. Unter Federführung des Zentralinstituts hatten Forscher aus Mannheim, Heidelberg und Gießen Personalakten der deutschen katholischen Kirche im Zuge der sogenannten MHG-Studie gesichtet. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) hatte die Auswertung gefördert. Zur aktuellen Auswertung der MHG-Studie wollte sich die Bischofskonferenz auf Anfrage nicht äußern.

In die Berechnungen seien keine Fälle aus der Vergangenheit einbezogen worden, sondern nur Beschuldigungen in Bezug auf Taten, die "im jeweiligen Jahr der Erhebung stattgefunden haben sollen und bei denen das Kind zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre alt war", hieß es weiter. Dreßing sagte, die Auswertung der Personalakten zeige deutlich, "dass sexueller Missbrauch von Minderjährigen durch katholische Priester ein anhaltendes Problem ist, kein historisches". Die Präventionsarbeit der Kirche sollte sich daher vor allem an die Gruppe von Priestern richten, die "zum sexuellen Missbrauch disponiert ist".

Weiter habe die Analyse der Forscher ergeben, dass Priester trotz ihres Weiheamtes und der damit verbundenen hohen moralischen Anforderungen im Untersuchungszeitraum ebenso häufig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern angezeigt worden seien wie Männer in der Allgemeinbevölkerung. Zwischen 2009 und 2015 habe die Quote der Beschuldigten unter den katholischen Priestern, gegen die auch eine Strafanzeige gestellt wurde, in einigen Jahren sogar höher gelegen als die Quote in der männlichen Allgemeinbevölkerung, hieß es. Die Forscher gingen davon aus, dass über die offiziell bekannten Tatvorwürfe hinaus in allen Bereichen der Gesellschaft von einem erheblichen Dunkelfeld ausgegangen werden müsse, da eine Vielzahl von Taten unentdeckt bleibe.

Die MHG-Studie wurde auf der Herbst-Vollversammlung am 25. September 2018 in Fulda vorgestellt. Die Bischöfe haben in der Folge einen ersten Maßnahmenkatalog entwickelt. Die dort genannten Punkte sollen nach und nach in Teilprojekten aufgearbeitet werden.