Lange Sperrzeiten auf Arbeitslosengeld rechtswidrig

Lange Sperrzeiten auf Arbeitslosengeld rechtswidrig

Kassel (epd). Arbeitslose müssen bei unterlassenen Bewerbungsbemühungen oder anderen Pflichtverletzungen derzeit keine Sperrzeiten auf ihr Arbeitslosengeld I von sechs oder zwölf Wochen fürchten. Denn die versandten Bescheide der Bundesagentur für Arbeit enthalten eine unklare und damit fehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Betroffene Arbeitslose können nun bei der Arbeitsagentur einen Überprüfungsantrag stellen und bis zu vier Kalenderjahre rückwirkend Arbeitslosengeld I zurückfordern. (AZ: B 11 AL 14/18 R und B 11 AL 17/18 R)

Im ersten der vergleichbaren zwei vor dem BSG verhandelten Fälle hatte ein arbeitsloser Lackierer aus dem Raum Chemnitz geklagt, der sich auf drei Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur nicht beworben hatte. Die Arbeitsagentur hatte den Mann darüber informiert, was passiert, wenn er sich "ohne wichtigen Grund" nicht für die angebotene Stelle bewirbt. Danach werde maximal zwölf Wochen lang kein Arbeitslosengeld bezahlt. Bei jedem "versicherungswidrigen Verhalten" sollten sich die Sperrzeiten von drei auf sechs und schließlich auf zwölf Wochen verlängern.

Wegen der unterlassenen Bewerbungen verhängte die Arbeitsagentur die angedrohten Sperrzeiten. Das BSG kippte nun diese übliche Praxis der Arbeitsagentur bei mehrfachen Pflichtverstößen. Eine zweite und dritte Sperrzeit mit einer Dauer von sechs und zwölf Wochen könne nur eintreten, wenn die Bescheide und Rechtsfolgenbelehrungen "konkret, richtig, vollständig und verständlich" sind, sagte BSG-Vizepräsident Thomas Voelzke.

Dies sei hier nicht der Fall. Es reiche nicht aus, dass in den Rechtsfolgenbelehrungen lediglich der Gesetzestext wiedergegeben werde. Die Arbeitslosen müssten individuell über die Folgen jedes Pflichtverstoßes informiert und gewarnt werden, forderte das BSG.

Mit der derzeit verwendeten Rechtsfolgenbelehrung komme nur eine Sperrzeit von drei Wochen in Betracht. Den Fall verwies das Gericht allerdings wegen fehlender Tatsachenfeststellungen an die Vorinstanz zurück.

Als Folge der Urteile können Arbeitslose, gegen die in der Vergangenheit Sperrzeiten von sechs oder zwölf Wochen verhängt wurden, wegen der fehlerhaften Rechtsfolgenbelehrung einen Überprüfungsantrag bei der Arbeitsagentur stellen. Sie können dann Anspruch auf eine Arbeitslosengeld-Nachzahlung haben. Zulässig sind dagegen dreiwöchige Sperrzeiten für den jeweiligen Pflichtverstoß.