Fall Lügde: Kinderschutzbund vermutet "Netzwerk bis in die Behörden"

Fall Lügde: Kinderschutzbund vermutet "Netzwerk bis in die Behörden"

Berlin (epd). Vor dem Prozessauftakt zum Missbrauchsfall von Lügde fordert der Kinderschutzbund die Einsetzung einer länderübergreifenden Expertenkommission zur Aufklärung des Behördenversagens. "Wir wissen längst noch nicht alles", sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Donnerstag). "Ich halte es durchaus für möglich, dass es ein Netzwerk gibt, das bis in Behörden reicht." Daher sei es angebracht, dass Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemeinsam eine unabhängige Expertenkommission einsetzten.

Die Grenzüberschreitung und das Nebeneinander von Landkreisen, Städten, Polizeibehörden und Landesjugendämtern hätten zudem die Taten sicherlich begünstigt, sagte Hilgers. "Deshalb wären beide Länder gut beraten, ein Gremium von Wissenschaftlern aus Kriminologie und Erziehungswissenschaft einzusetzen, das diesen Fall noch einmal aufarbeitet."

Auf einem Campingplatz im lippischen Lügde nahe der Grenze zu Niedersachsen sollen mehr als 40 Kinder zwischen vier und 13 Jahren über Jahre hinweg von mehreren Männern sexuell missbraucht worden sein. Unter den Opfern war auch das Pflegekind des Hauptverdächtigen. Der Polizei und Jugendbehörden werden massives Versagen vorgeworfen. So sollen die Behörden vorliegenden Hinweisen auf pädophile Täter jahrelang nicht nachgegangen sein. Die Vorwürfe richten sich auch gegen den benachbarten Landkreis Hameln-Pyrmont. Der nordrhein-westfälische Landtag beschloss am Mittwoch gemeinsam die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu dem Fall.

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen drei Männer am Landgericht Detmold. Angeklagt sind ein 56-jähriger Dauercamper, ein 34-jähriger mutmaßlicher Mittäter und ein 49-Jähriger aus Stade. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Hauptverdächtigen in mehr als 450 Fällen Kindesmissbrauch und Herstellung von Kinderpornografie vor. Der dritte Beschuldigte ist angeklagt, weil er an Webcam-Übertragungen teilgenommen haben soll.