Merkel fordert Aufklärung im Mordfall Lübcke

Merkel fordert Aufklärung im Mordfall Lübcke
Protestantentreffen zog mehr als 120.000 Menschen an
Mit Debatten über brisante Themen wie Rechtsextremismus und sexuellen Missbrauch ist der Kirchentag in Dortmund auf die Zielgerade eingebogen. Bundeskanzlerin Merkel forderte Aufklärung im Mordfall Lübcke und verbindliche Ziele für den Klimaschutz.

Dortmund (epd). Große Namen und brennende Themen: Am vorletzten Tag des evangelischen Kirchentags in Dortmund standen noch einmal gesellschaftspolitische Debatten über Rechtsextremismus, Klimaschutz und sexuellen Missbrauch im Fokus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte auf dem Protestantentreffen am Samstag eine umfassende Aufklärung der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Auf einem Podium über sexuellen Missbrauch trafen Betroffenenvertreter auf prominente Theologen. Am Sonntag geht der Kirchentag mit zwei großen Abschlussgottesdiensten zu Ende.

In ihrer von den Zuhörern bejubelten Rede forderte Merkel, mögliche Verbindungen der Ermordung von Lübcke zur rechtsterroristischen Gruppe NSU aufzuklären. Die Kanzlerin erinnerte an das Versagen der Behörden bei der NSU-Mordserie und die Versprechen von Aufklärung, die den Betroffenen gemacht worden seien. Wenn man jetzt nicht genau nach Verbindungen schaue, "haben wir einen vollkommenen Verlust der Glaubwürdigkeit", sagte Merkel. Am Freitag war bekanntgeworden, dass Lübckes Name auf einer Liste des NSU stand.

Für mehr Besonnenheit im Umgang mit der AfD warben auf einem Kirchentagspodium die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern, Winfried Kretschmann (Grüne) und Markus Söder (CSU). "Sich immer nur zu empören, das bringt uns nicht weiter", sagte Kretschmann. Vielmehr müssten potenzielle AfD-Wähler überzeugt werden. Auch Söder betonte, besser seien gute Argumente und klare Abgrenzung.

Den sexuellen Missbrauch durch evangelische und katholische Geistliche griff der Kirchentag in einem Podium auf, bei dem Opfer mit Theologen diskutierten. Detlev Zander vom Netzwerk Betroffenen Forum aus dem bayerischen Plattling forderte von der Kirche mehr Sensibilität: "Betroffene müssen angehört, nicht vernommen werden." Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs betonte, es müsse nicht nur Vergangenes aufgearbeitet werden, sondern es brauche auch aktuelle Schutzkonzepte. Dies sei auch eine "Haltungsfrage", sagte die Bischöfin, die Sprecherin des kirchlichen "Beauftragtenrats zum Schutz vor sexualisierter Gewalt" ist.

Mit Blick auf sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Konflikten rief Außenminister Heiko Maas (SPD) die Kirchen auf, sichere Räume für Opfer zu schaffen. Die Kirchen könnten auch Unterstützung bieten für das Heilen seelischer und körperlicher Wunden, sagte Maas auf einem Podium mit dem kongolesischen Gynäkologen Denis Mukwege, der im Ostkongo vergewaltigte Frauen operiert.

Mukwege gab Industrieländern wie Deutschland eine Mitverantwortung für das Leiden in der Demokratischen Republik Kongo. Viele der Vergewaltigungen und auch Vertreibungen gingen von Banden aus, die Rohstoffe wie Kobalt für die Technologieproduktion in ihre Gewalt bringen wollten. Der Friedensnobelpreisträger forderte eine Sorgfaltspflicht für die Einhaltung von Menschenrechten in Lieferketten: "Ein sauberes Elektroauto muss auch mit sauberen Mineralien gebaut werden."

Auch der Klimaschutz war am Samstag erneut ein zentrales Thema auf dem Kirchentag. Merkel kündigte in ihrer Rede an, dass Deutschland auch nach dem Scheitern eines verbindlichen Klimaziels beim EU-Gipfel am Freitag am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 festhält. Von der diesjährigen UN-Klimakonferenz müsse ein Signal zu verstärkten Anstrengungen ausgehen.

Seit Mittwoch kamen rund 121.000 Menschen zum 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag und besuchten neben politischen Podien auch Gottesdienste, Workshops und Konzerte. Das Christentreffen endet am Sonntag mit einem zentralen Abschlussgottesdienst im Westfalenstadion und einem Familiengottesdienst im Westfalenpark, zu denen insgesamt 100.000 Menschen erwartet werden. Bereits am Samstag wurde symbolisch ein Staffelstab an die Organisatoren des Ökumenischen Kirchentags 2021 in Frankfurt am Main übergeben. Er wird vom 12. bis 16. Mai 2021 gemeinsam vom evangelischen Kirchentag und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) veranstaltet.

epd lwd/max fu