Experten mehrheitlich für klinische Studien mit Demenzkranken

Experten mehrheitlich für klinische Studien mit Demenzkranken
Im Juli musste der Bundestag eine Abstimmung über eine Gesetzesnovelle zu klinischen Studien mit Demenzkranken verschieben. In allen Fraktionen gibt es Gegner, die einen ethischen Dammbruch befürchten. Einige Sachverständige sehen das anders.

Berlin (epd). Eine Mehrheit von Sachverständigen hat sich bei einer Anhörung im Bundestag dafür ausgesprochen, die Regelungen zur Teilnahme demenzkranker Patienten an klinischen Studien zu liberalisieren. Dagegen sprachen sich am Mittwoch in Berlin jedoch der katholische Theologe Andreas Lob-Hüdepohl und der Transplantations-Mediziner und frühere Präsident des Evangelischen Kirchentags, Eckhard Nagel aus.

Nagel sagte, mit Studien an nicht einwilligungsfähigen Patienten allein zu Forschungszwecken werde eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden sollte. Der Erlanger Theologe und evangelische Ethiker Peter Dabrock befürwortete hingegen die streng regulierte Teilnahme auch schwer demenzkranker Patienten an klinischen Studien, von denen möglicherweise spätere Patientengenerationen profitieren.

Schein von Selbstbestimmung

Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht vor, dass Menschen, die an solchen Studien teilnehmen wollen, dies vorab in gesundem Zustand in einer Verfügung festlegen müssen. Dabei geht es etwa um die Erprobung von Medikamenten. Bisher ist die Teilnahme nicht einwilligungsfähiger Patienten an solchen Forschungen nur dann erlaubt, wenn sie selbst einen gesundheitlichen Nutzen haben.

Pragmatische Einwände gegen die geplante Gesetzesänderung kamen von dem Frankfurter Altersforscher und -mediziner Johannes Pantel. Er legte den Abgeordneten dar, dass die gegenwärtige Rechtslage die klinische Demenzforschung nicht behindere und daher eine Liberalisierung nicht notwendig sei. Pantel erklärte, Tests zu innovativen Arzneimitteln gegen Alzheimer etwa würden mit Patienten im Frühstadium der Krankheit durchgeführt, wenn sie noch entscheidungsfähig seien und in die Studie einwilligen könnten. Das gleiche gelte für diagnostische Studien und solche, mit denen die Anwendung und Verträglichkeit von Medikamenten getestet werden.

Der Theologe Lob-Hüdepohl, der auch dem Deutschen Ethikrat angehört, kritisierte an Gröhes Gesetzentwurf, mit einer Vorab-Verfügung für eine mögliche Studienteilnahme bei fortgeschrittener Krankheit werde nur der Schein von Selbstbestimmung erzeugt. Die Menschen könnten zum Zeitpunkt der Zustimmung noch nicht wissen, an welcher Art von Tests sie später teilnehmen. Deshalb müsse es bei der gegenwärtigen Rechtslage bleiben, wonach die Teilnahme nicht einwilligungsfähiger Erwachsener an sogenannten gruppennützigen Forschungen verboten ist.

Zunächst Experten anhören

Demgegenüber sieht der evangelische Ethiker Dabrock in den Plänen Gröhes und ergänzenden Anträgen aus dem Parlament eine "verantwortungsvolle Gesetzesregelung". Sie ermögliche unter kontrollierbaren, engen Voraussetzungen, dass Patienten sich an einer Forschung für Menschen beteiligen könnten, die an demselben Krankheitsbild leiden wie sie selbst. Dies könne man als einen "selbstbestimmten Akt der Solidarität, religiös gesprochen: der Nächstenliebe" bezeichnen, sagte der evangelische Theologe, der auch Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist. Auch andere Sachverständige bescheinigtem dem Gesetzgeber, eine maßvolle Regelung vorzuschlagen, die die Interessen der Forschung und der Studienteilnehmer gleichermaßen berücksichtige.

Die Gegner der Liberalisierung aus allen Bundestagsfraktionen wollen die gegenwärtige Rechtslage aufrecht erhalten. Die Befürworter argumentieren, dass mit den geplanten, deutschen Regelungen eine noch liberalere Regelung der EU verhindert werde. Eine Gruppe von Abgeordneten um den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach hat Ergänzungen zum Gröhe-Entwurf vorgelegt, die weitere Auflagen vorsehen, wie etwa ein verpflichtendes Arztgespräch vor der Abfassung einer Verfügung.

Der Bundestag hatte die Abstimmung über die Gesetzesnovelle im Juli vertagt, nachdem die Gegner dagegen Sturm gelaufen waren. Der Gesundheitsausschuss hatte daraufhin beschlossen, nach der Sommerpause zunächst Experten anzuhören.