Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann ein

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann ein
Mit seinem "Schmähgedicht" wollte Jan Böhmermann die Grenzen der Satire erläutern - davon ist die Staatsanwaltschaft Mainz überzeugt und ermittelt nicht weiter gegen den Moderator.

Mainz (epd). Die Staatsanwaltschaft Mainz hat das Ermittlungsverfahren gegen den Fernsehmoderator Jan Böhmermann wegen dessen Erdogan-Schmähgedicht eingestellt. Strafbare Handlungen seien dem Satiriker "nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen", teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller am Dienstag mit. Insbesondere sei nicht nachweisbar, dass der Moderator den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ernsthaft herabwürdigen wollte. ZDF-Intendant Thomas Bellut sprach von einer guten Nachricht. Auch Böhmermanns Anwalt Daniel Krause zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung.

Bei dem "Schmähgedicht" handele es sich um eine "geradezu absurde Anhäufung vollkommen übertriebener, abwegig anmutender Zuschreibungen negativ bewerteter Eigenschaften und Verhaltensweisen, denen jeder Bezug zu tatsächlichen Gegebenheiten - offensichtlich beabsichtigt - fehlt", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Beitrag aus der bei ZDFneo ausgestrahlten Sendung "Neo Magazin Royale" erfülle als "satirische Darbietung" auch die Bedingungen dafür, dass Böhmermann sich auf die Kunstfreiheit berufen konnte. Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des selten angewendeten Straftatbestands der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes.

Bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens sei außerdem berücksichtigt worden, wie der Beitrag auf die Zuschauer gewirkt habe. Ein "durchschnittlich informiertes verständiges Publikum" müsste demnach verstanden haben, dass Äußerungen aus dem "Neo Magazin Royale" oft jede Ernsthaftigkeit fehle, erklärte die Staatsanwaltschaft.

ZDF-Intendant Bellut sieht Meinungsfreiheit gestärkt

Böhmermann hatte am 31. März ein Gedicht mit wüsten Beschimpfungen des türkischen Präsidenten verlesen. Den Auftritt hatte der Moderator damit begründet, er wolle den Unterschied von erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären. Zuvor hatte die türkische Regierung mit massiven Beschwerden und der Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara auf einen Erdogan-kritischen Beitrag des NDR-Satiremagazins "extra3" reagiert.

"Das ist eine gute Nachricht", sagte ZDF-Intendant Bellut zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Böhmermann. "Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft macht in ihrer ausführlichen Begründung deutlich, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft einen außerordentlich hohen Stellenwert besitzt", erklärte Bellut.

"Die Staatsanwaltschaft hat rechtsstaatlich entschieden und jedem politischen Druck widerstanden", erklärte Böhmermanns Anwalt Krause. "Das verdient Hervorhebung und Respekt." Zu Recht habe die Staatsanwaltschaft das Gedicht umfassend in seiner Entstehung und Natur betrachtet. Dabei habe sie es in seiner Einbettung in den Gesamtkontext gewürdigt und in seinem Charakter als Teil eines satirischen "juristischen Pro-Seminars über die Grenzen der Satire" erkannt.

Erdogan hatte Strafanzeige erstattet

Das Böhmermann-Gedicht nahm nach einer vielfach kritisierten Stellungnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ausmaße einer Staatsaffäre an. Erdogan selbst und rund 1.500 Privatpersonen erstatteten wegen der Sendung Strafanzeige. Erdogan reichte auch eine Unterlassungsklage gegen Böhmermann ein, über die ab dem 2. November in Hamburg vor Gericht verhandelt wird.

Das Bundesjustizministerium wollte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht kommentieren. Die Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linken-Fraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen, erklärte, man könne der Mainzer Staatsanwaltschaft nur danken. "Im Gegensatz zur vorverurteilenden Bundeskanzlerin Merkel verteidigt sie die Kunst- und Pressefreiheit in Deutschland gegen den türkischen Präsidenten Erdogan, einen erklärten Feind der Pressefreiheit", sagte sie.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte die Entscheidung ebenfalls. "Damit ist klar, dass in Deutschland die Satirefreiheit einen höheren Stellenwert besitzt als die Ehrpusseligkeit eines Autokraten", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.