Deutsche Welle verklagt türkische Regierung

Deutsche Welle verklagt türkische Regierung
Sender fordert Herausgabe eines Interviews mit dem Sportminister
Zwei Fristen sind verstrichen, nun soll ein Gericht den Fall klären: Die Deutsche Welle will auf dem Rechtsweg beschlagnahmte Videoaufnahmen aus Ankara zurückbekommen.

Bonn (epd). Im Streit um ein Interview mit dem türkischen Sportminister Akif Kilic zieht die Deutsche Welle vor Gericht. Der Sender habe beim Zivilgericht in Ankara Klage auf Herausgabe des Videomaterials eingereicht, erklärte die Deutsche Welle (DW) am Montag auf ihrer Website. Sportminister Kilic hatte DW-Moderator Michel Friedman am 5. September in Ankara ein Interview gegeben. Unmittelbar nach dem Gespräch ließ er das Videomaterial beschlagnahmen.

Eine für den folgenden Vormittag gesetzte Frist für die Herausgabe der Aufnahmen habe das türkische Ministerium verstreichen lassen, hieß es in der Mitteilung der DW. Auch eine zweite Frist, die Rechtsanwälte des Senders setzten, blieb ohne Reaktion. "Wir fordern die türkische Seite nun auf dem Rechtsweg zur unverzüglichen Herausgabe unseres Videomaterials auf", erklärte DW-Intendant Peter Limbourg.

Erfolg der Klage gilt als offen

Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, erklärte zu der Klage: "Wir respektieren die Entscheidung der Deutschen Welle, das zu tun, was sie in Ausübung ihrer Rechte für richtig hält." Eine Einschätzung zu den Erfolgschancen der Klage wollte er nicht abgeben. Schäfer sagte, die Bundesregierung habe sich nach der Beschlagnahmung des Materials hinter die Deutsche Welle gestellt und setze sich für Pressefreiheit in der Türkei ein.

Der Rundfunkrat des Senders unterstützte die Klage. "Wir treten für die uneingeschränkte Freiheit der Presse ein", sagte der Vorsitzende des Gremiums, Karl Jüsten. Es sei beunruhigend, dass die Deutsche Welle gezwungen sei, vor Gericht auf die Herausgabe ihres Interviews zu klagen. Auch die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, bezeichnete den juristischen Weg als richtig. "Es fehlt bislang ein Zeichen von höchster Stelle der Bundesregierung", sagte sie. "Diese wichtige Angelegenheit muss zur Chefsache werden."

Friedmann erläutert Hergang

Moderator Friedman stellte in dem Interview laut Deutscher Welle Fragen zum Putschversuch im Juli, zu den folgenden Massenentlassungen und Verhaftungen, zur Lage der Presse sowie zur Stellung der Frau. Die Themen des Gesprächs seien dem Ministerium vorab mitgeteilt worden. Nach dem Gespräch wurden die Aufnahmen nach Darstellung von Friedmann beschlagnahmt, was vom türkischen Ministerium bestritten wurde.

Friedman präsentiert im englischsprachigen Programm der Deutschen Welle den Polit-Talk "Conflict Zone", den er im Wechsel mit dem britischen Fernsehjournalisten Tim Sebastian bestreitet.