Islamwissenschaftlerin: Gespräche mit "überzeugten Radikalen" abbrechen

Islamwissenschaftlerin: Gespräche mit "überzeugten Radikalen" abbrechen
In ihrem neuen Buch ruft die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor die gesellschaftliche Mitte auf, mit "überzeugten Radikalen" nicht mehr zu diskutieren. Das Buch der Mitbegründerin des Liberal-Islamischen Bunds und Lehrerin ist seit heute erhältlich.
21.09.2016
epd
epd-Gespräch: Wiebke Rannenberg

Frankfurt a.M. (epd). epd: Ihr "Plädoyer für eine Ausgrenzung" ist gerade für eine Lehrerin eine radikale These. Wie sind Sie dazu gekommen?

Kaddor: Diskutieren ist grundsätzlich wichtig. Aber wenn die angebliche Gesprächsbereitschaft aus Parolen, Stereotypen und Stimmungsmache besteht, empfehle ich tatsächlich jedem, dem Gegenüber zu verdeutlichen, dass man nicht nur anderer Meinung ist, sondern unter diesen Umständen auch kein Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung hat - und dann das Gespräch abzubrechen. Das ist die Lehre aus meinen Erfahrungen der vergangenen 15 Jahre, in denen ich in der Öffentlichkeit stehe. Manche tun so, als wollten sie diskutieren, Fragen stellen, aber eigentlich wollen nur ihren Hass oder ihre Unzufriedenheit auf mich projizieren. Das gilt für Rechtsradikale ebenso wie für Salafisten.

epd: Sie machen einen Unterschied zwischen Rechtsradikalen und einer Gruppe, die sie "Deutschomanen" nennen. Was ist gefährlich an der "Deutschomanie"?

Kaddor: Die "Deutschomanie" ist weniger gewaltbereit, sie kommt vermeintlich leichter daher. Man tut so, als sei man demokratisch und achte das Grundgesetz, denkt und handelt aber anders. "Deutschomanie" ist gefährlich, weil die Botschaft versteckt daherkommt. Ein "Deutschomane" ist häufig an der Aussage zu erkennen: "Ich bin kein Rechtsradikaler oder fremdenfeindlich, aber…". "Deutschomanie" beschreibt aber auch eine Art völkische Hysterie, irreale Angst vor vermeintlicher Überfremdung. Und sie beschreibt organisierten Hass, wenn es darum geht, andere außen vor zu halten. Ich habe schon von ganz unterschiedlichen Leuten gleichlautende Hass-Mails bekommen. Diese Vernetzung macht mir schon Angst und Sorgen.

epd: Die "Angstmacherei" spielt ja schon im Titel ihres neues Buches eine Rolle. Wer macht wem Angst?

Kaddor: Angst wird von vielen Akteuren in unserer Gesellschaft geschürt und leider auch bedient. Politiker machen zum Beispiel Angst, wenn sie von der Notwendigkeit von Obergrenzen sprechen, obwohl nicht mehr annähernd so viele Flüchtlinge kommen. Islamistische Gruppen wie die Salafisten machen der Gesellschaft im Allgemeinen Angst und nutzen die Islamfeindlichkeit, um Muslimen im Speziellen Angst zu machen, indem sie ihnen sagen: Die wollen Euch nicht. Die Trennlinie in der deutschen Gesellschaft teilt nicht Christen und Muslime oder Deutsche und Flüchtlinge. Sie verläuft zwischen Menschen, die Demokratie und Freiheit wollen, und denen, die Unterdrückung und Abgrenzung wollen.