"Ungleichheit nimmt im Norden rapide zu"

"Ungleichheit nimmt im Norden rapide zu"
Das Weltsozialforum findet erstmals in einem Industrieland statt. Im kanadischen Montreal kommen Teilnehmer aus 120 Ländern zusammen. Das Forum will die Aufmerksamkeit auch auf die sozialen Probleme in Industrieländern lenken.
09.08.2016
epd
epd-Gespräch: Natalia Matter

Berlin (epd). "Die Ungleichheit nimmt auch im Norden rapide zu, in Deutschland herrscht EU-weit die höchste Einkommensungleichheit", sagte die Entwicklungssoziologin Luise Steinwachs von "Brot für die Welt" dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Zivilgesellschaft befasse sich in den reichen Ländern immer mehr mit den gleichen Themen wie Aktivisten in den armen Staaten. Deshalb sei es durchaus sinnvoll, dass das Weltsozialforum erstmals in einem Land im Norden stattfinde. In Montreal treffen sich vom 9. bis 14. August nach Organisatorenangaben 50.000 Teilnehmer zum 12. Weltsozialforum.

Ein weiterer Grund habe für Kanada als Tagungsort gesprochen, erläutert Steinwachs: Einige der großen Firmen beispielsweise im Bergbausektor, die für ökologische und soziale Probleme verantwortlich seien, kämen aus dem nordamerikanischen Land. "So kann man beide gleichzeitig adressieren", Verursacher wie Betroffene. Auch die 2015 von den UN verfassten Nachhaltigkeitsziele sähen erstmals auch Zielsetzungen für den Norden vor.

Vernetzung über Themengrenzen hinweg

Unter dem Motto "Eine andere Welt ist nötig, zusammen wird sie möglich!" treffen sich Vertreter von Initiativen und Organisation aus 120 Ländern, um über solidarische und ökologische Alternativen zum derzeitigen Wirtschaftssystem zu diskutieren. Aus Deutschland nehmen neben dem Gründungsmitglied "Brot für die Welt" unter anderem Attac, politische Stiftungen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft teil.

Die Aktivisten wollten keine Anti-Veranstaltung, betonte Steinwachs. "Es geht darum, eigene Ideen zu entwickeln." Die Anregungen durch den internationalen Austausch würden in die nationalen Debatten zurückgetragen. Immer wieder würden dadurch Entwicklungen erkannt, die in mehreren Regionen drohten. Wichtig sei auch Vernetzung über Themengrenzen hinweg. So gehe es in den Diskussionen um soziale Sicherheit auch um Entwicklungsfinanzierung und internationale Steuerpolitik.

Das Weltsozialforum wurde 2001 in der brasilianischen Stadt Porto Alegre als Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum im Schweizer Kurort Davos gegründet. Es versteht sich als offene Bewegung und bekennt sich in einer Charta zu Toleranz, Gewaltfreiheit, Demokratie, Menschenrechten und Pluralismus.