Steinmeier verurteilt türkisches Vorgehen gegen Medien

Steinmeier verurteilt türkisches Vorgehen gegen Medien
Haftbefehle gegen Journalisten, Schließungen von Fernsehsendern und Zeitungen: In der Türkei rollt eine "Säuberungswelle" gegen Kritiker der Regierungspolitik. Journalisten verurteilen die Medienverbote scharf.

Brüssel, Berlin (epd). Das jüngste massive Vorgehen der türkischen Führung gegen die Presse stößt europaweit auf Kritik. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verurteilte die Medienverbote nach dem Putsch scharf. Die Reaktionen gingen "weit über jedes Maß hinaus", sagte der Außenminister den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Freitagsausgabe). Auch die EU-Kommission äußerte Besorgnis. "Reporter ohne Grenzen" forderte Notfall-Hilfen für die von Verfolgung bedrohten Journalisten und Menschenrechtsaktivisten.

Steinmeier kritisiert Massenverhaftungen

Es sei besorgniserregend, dass im Zuge des Ausnahmezustandes in der Türkei Haftbefehle gegen eine große Zahl von Journalisten ausgestellt und verschiedene Medien geschlossen worden seien, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Dienstes der EU am Donnerstag in Brüssel. Jeder, dem ein Vergehen oder Verbrechen zur Last gelegt werde, müsse ein faires Verfahren erhalten.

Die EU-Sprecherin sagte weiter: "Es ist extrem wichtig, dass die türkischen Behörden unter allen Umständen die Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten beachten." Dies habe die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Mittwoch in einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuolu deutlich gemacht.

Steinmeier kritisierte die Massenverhaftungen von Beamten, Richtern, Lehrern und Journalisten nach dem Putschversuch scharf. Dazu dürfe man nicht schweigen. Es scheine fast, "als steuere das Land auf eine schwere innenpolitische Krise zu", sagte er. Zugleich warnte er davor, die Tür zur EU durch eine Wiedereinführung der Todesstrafe zuzuschlagen. Die CDU-Menschenrechtspolitikerin Erika Steinbach rief die Türkei auf, Grundrechte wie die Pressefreiheit zu achten, wenn sie die Option des EU-Beitritts erhalten wolle.

"Offensichtlich jedes Maß verloren"

"Reporter ohne Grenzen"-Geschäftsführer Christian Mihr kritisierte: "Regierung und Justiz der Türkei haben in ihrem Eifer, Kritiker auszuschalten, offensichtlich jedes Maß verloren." Er forderte "unbürokratische Hilfen" wie Notfall-Visa für Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, die in der Türkei nicht mehr sicher seien. Das sei das Mindeste, was getan werden müsse.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, schrieb am Donnerstag im DJV-Blog: "Erst Haftbefehle gegen Journalisten, dann Festnahmen und Medienverbote: Was in der Türkei gerade abläuft, hat mit Demokratie noch nicht einmal ansatzweise etwas zu tun." Eine "Säuberungswelle" rolle nach der anderen. Das habe auch Auswirkungen in Deutschland, etwa auf die Redaktion der deutschen Ausgabe der Zeitung "Zaman". Binnen Tagen hätten Hunderte Leser, die von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unter Druck gesetzt würden, das Abo gekündigt. "Zaman" wird der Erdogan-kritischen Gülen-Bewegung zugerechnet.

Die türkische Regierung hatte am Mittwoch angeordnet, 45 Zeitungen, 15 Zeitschriften und 16 Fernsehsender zu schließen. Das berichtete BBC unter Berufung auf das Amtsblatt "Resmi Gazete". Außerdem veranlasste die Regierung in Ankara die Festnahme von 47 weiteren Journalisten. Bereits am Montag waren Haftbefehle gegen 42 Journalisten erlassen worden. Unter ihnen war auch die prominente Journalistin Nazli Ilicak, die für die regierungsnahe Zeitung "Sabah" gearbeitet hatte und vor drei Jahren wegen der Berichterstattung über einen Korruptionsskandal in den Reihen der Regierung entlassen worden war.