Schwulen-Paragraf: Maas will Opfer entschädigen

Schwulen-Paragraf: Maas will Opfer entschädigen
Homosexualität war auch in der Nachkriegszeit noch lange verboten. Verurteilte fordern seit langem Rehabilitierung. Justizminister Maas will die Urteile jetzt aufheben und Betroffene entschädigen.

Berlin (epd). Die Rehabilitierung von Männern, die in der Nachkriegszeit wegen ihrer Homosexualität verurteilt wurden, rückt näher. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, das Strafurteile pauschal aufheben soll. Dem Papier zufolge, über das am Freitag zuerst die ARD berichtete und das auch dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, sieht zudem eine - auch individuelle - Entschädigung von Opfern vor. Damit geht Maas sogar über bisherige Forderungen hinaus.

Homosexuelle Kontakte zwischen Männern waren auch in der Bundesrepublik noch lange strafbar. Das Justizministerium kommt im Eckpunktepapier zu dem Schluss: "Die Kriminalisierung Homosexueller und die daraus resultierende Strafverfolgung Homosexueller sind menschenrechtswidrig." Maas will daher die Verurteilungen pauschal aufheben - "unmittelbar durch Gesetz und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls". Aufgehoben werden sollen Urteile in Fällen von einvernehmlichem Sex zwischen Erwachsenen sowie zwischen Erwachsenen und Jugendlichen, der damals bei heterosexuellen Paaren auch nicht strafbar war. Keine Rehabilitierung soll es für sexuelle Handlungen mit unter 16-Jährigen geben.

Rund 50.000 Männer verurteilt

Konkret geht es um Verurteilungen nach dem früheren Paragrafen 175 im Strafgesetzbuch, der seit der Kaiserzeit galt, in verschärfter Fassung die Grundlage für die Verfolgung und Ermordung Homosexueller in der NS-Zeit bildete und in dieser Form noch in der Bundesrepublik, in veränderter auch in der DDR lange Zeit fortbestand. Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle wurden auf dieser Grundlage in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer verurteilt.

Dann wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 komplett abgeschafft. In der DDR, wo es weit weniger Verurteilungen gab, war das bereits 1968 der Fall. Die Rehabilitierung war lange Zeit umstritten, weil damit erstmals Rechtssprechungen aus der Nachkriegszeit pauschal kassiert würden.

Ein Gutachten der Antidiskriminierungsstelle kommt zu dem Ergebnis, dass eine pauschale Rehabilitierung möglich ist. Die Institution und die Grünen im Bundestag hatten Maas aufgefordert, schnell ein Gesetz vorzulegen. Die Antidiskriminierungsstelle forderte auch eine kollektive Entschädigung etwa in Form einer Unterstützung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die sich gegen die Diskriminierung sexueller Minderheiten einsetzt. Eine individuelle Entschädigung sah ihr Rechtsgutachten skeptisch, schon weil es schwierig sein würde, die dafür notwendigen Nachweise nach so langer Zeit zu erbringen.

Individuelle Entschädigung

Maas strebt aber nach dem Eckpunktepapier dennoch eine individuelle Entschädigung für verbüßte Haftstrafen, Geldstrafen und ausgebrachte Verfahrenskosten Kosten an. Eine Individualentschädigung sei "aus verfassungsrechtlicher Sicht die einzig mögliche Konsequenz" aus einer Aufhebung der Urteile, heißt es darin. Daneben spricht sich Maas aber auch für einen Entschädigungsfonds für Härtefälle und eine Kollektiventschädigung in Form einer Zustiftung oder Förderung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld aus.

Die Eckpunkte werden nach Angaben eines Ministeriumssprechers jetzt in der Bundesregierung abgestimmt. Einen konkreten Zeitplan zur Verabschiedung eines Gesetzes gibt es noch nicht. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, begrüßte das Vorhaben und appellierte, es schnell umzusetzen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak bezeichnete das Vorhaben als "wichtigen symbolischen Akt, um den Verurteilten späte Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen". Er signalisierte Unterstützung und will in seiner Fraktion für das Vorhaben werben.