Mehr Flüchtlinge als je zuvor

Mehr Flüchtlinge als je zuvor
Weltweit sind mehr Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung als je zuvor. Mehr als 65 Millionen Flüchtlinge zählten die Vereinten Nationen Ende 2015.

Genf, Frankfurt a.M. (epd). Davon waren fast 41 Millionen innerhalb der Grenzen ihres eigenen Landes auf der Flucht, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Montag in Genf mitteilte. Im Vergleich zu 2014 stieg die Gesamtzahl der Flüchtlinge um fast sechs Millionen.

Trotz allen Leids nähmen aber in einigen Regionen spaltende politische Rhetorik, Fremdenfeindlichkeit und Abschottung zu, beklagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zum Weltflüchtlingstag am Montag. Der Geist der geteilten Verantwortung werde immer wieder von hasserfüllter Intoleranz verdrängt. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, appellierte an die Hilfsbereitschaft der Regierungen. Es liege im kollektiven Interesse der Menschheit, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Die Politik müsse die Entstehung neuer Konflikte verhindern und die anhaltenden Konflikte beenden.

Weltweit mehr Konflikte

Das UNHCR erklärte den Anstieg vor allem mit den vielen anhaltenden oder wieder aufflammenden Konflikten wie in Syrien und Afghanistan. Bezogen auf die gesamte Weltbevölkerung war Ende 2015 einer von 113 Menschen auf der Flucht. Das bedeutendste Herkunftsland für Flüchtlinge, die ins Ausland gingen, war Syrien mit 4,9 Millionen Frauen, Männer und Kinder. Danach folgen Afghanistan mit 2,7 Millionen Flüchtlingen und Somalia mit 1,1 Millionen.

Die Liste der Länder mit den meisten Binnenflüchtlingen führt Kolumbien an. Innerhalb des südamerikanischen Staates waren Ende 2015 gut 6,9 Millionen Menschen vertrieben. In Syrien waren es 6,6 Millionen und im Irak 4,4 Millionen.

"Diese Zahlen dürfen uns nicht gleichgültig lassen", betonte Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD), die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, in Berlin. Es sei wichtig, sich angesichts von Abschottungsversuchen in Europa zu vergegenwärtigen, welche Länder die größte Last in der Krise trügen: "Das ist nicht Europa, sondern Länder wie die Türkei, die weltweit den meisten Flüchtlingen Schutz bei sich bietet. Das sind die Nachbarländer der Konfliktregionen wie der Libanon." Laut UNHCR war die Türkei Ende 2015 das Land, das die meisten Flüchtlinge beherbergte: gut 2,5 Millionen. Der Libanon hingegen nahm im Vergleich zu seiner Bevölkerung die meisten Flüchtlinge auf: Dort kamen auf 1.000 Einwohner 183 Flüchtlinge.

Vogel-Strauß-Politik vermeiden

Wer glaube, Europa könne sich aus der Verantwortung stehlen, handele zutiefst unmoralisch, erklärte Özoguz. Eine solche Einstellung zeuge "auch von einer naiven Vogel-Strauß-Politik, deren Folgen fatal sein können".

Deutschland und Europa bekämen dabei im weltweiten Vergleich nur einen kleinen Teil der globalen Flüchtlingsbewegung ab, erklärte Roland Bank, Leiter der UNHCR-Rechtsabteilung in Berlin, am Montag im Deutschlandfunk. Die stark betroffenen Nachbarländer der Konfliktregionen müssten stärker unterstützt werden - finanziell und strukturell, forderte er. "Und es müssen auch mehr sichere Zugangswege in die Industriestaaten geschaffen werden."

Deutschland bescheinigte Bank, bei den hohen Zugangszahlen im vergangenen Jahr und Anfang des Jahres Außerordentliches geleistet zu haben. Laut UNHCR gingen in Deutschland 2015 442.000 Asylgesuche ein, mehr als in jedem anderen Land. Insgesamt macht die Gruppe derer, die Antrag auf Asyl in einem der reichen Länder gestellt hat, aber nur rund drei Millionen der 65 Millionen Geflohenen aus.