Druck auf Bundesregierung vor Glyphosat-Entscheidung erhöht sich

Druck auf Bundesregierung vor Glyphosat-Entscheidung erhöht sich
In Berlin werden Zehntausende Unterschriften gegen Glyphosat ans Landwirtschaftsministerium übergeben. Zeitgleich sitzt in Brüssel ein deutscher Vertreter in einer EU-Tagung, um die deutsche Haltung zur Verlängerung des Pflanzengifts bekanntzugeben.

Brüssel/Berlin (epd). Kurz vor der möglichen Entscheidung der EU über Glyphosat hat sich der Druck auf die Bundesregierung, gegen die Neuzulassung zu stimmen, noch einmal erhöht. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland übergab am Mittwoch in Berlin nach eigenen Angaben 145.000 Unterschriften gegen Glyphosat an das Bundeslandwirtschaftsministerium, das für die Neuzulassung eintritt. Eine Reihe von Organisationen und Politikern warnten vor Gesundheitsrisiken.

Die Bundesregierung zeigte sich allerdings weiter uneins. Die bisherigen Gespräche hätten noch zu keiner gemeinsamen Haltung geführt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwochmittag in Berlin. Nach bisherigem Stand ist die Union dafür und die SPD gegen die Zulassung. Ohne Einigung wollte sich die Regierung bei einer Abstimmung in Brüssel enthalten.

Weiter offen, wann Abstimmung stattfindet

Die zweitägige EU-Sitzung hatte am Mittwochvormittag in Brüssel begonnen. Der zuständige Ausschuss besteht aus Vertretern der EU-Kommission und der 28 EU-Staaten. Klar war, dass über die Neuzulassung von Glyphosat gesprochen werden sollte. Ob und gegebenenfalls wann über die Neuzulassung auch abgestimmt werden sollte, war zunächst weiter offen. "Wir müssen abwarten", hieß es aus EU-Kreisen.

Greenpeace rief unterdessen zu "starken Beschränkungen" der Nutzung von Glyphosat oder einem "vollständigen Verbot" auf. Die Laufzeit einer Wiederzulassung lediglich zu verkürzen, wie es im Gespräch ist, "schützt Menschen und die Umwelt nicht", erklärten die Umweltschützer. Der Grünen-Politiker Martin Häusling verlangte von der EU-Kommission, das Vorsorgeprinzip greifen zu lassen. "Bleibt die Kommission stur, sehe ich darin einen Kniefall vor der Lobby der Agrarindustrie", erklärte der Europaabgeordnete.

Für eine gemäßigtere Position warb der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Das Mittel könne nicht einfach verboten werden, denn "wir können nicht ganz Europa zum 30.6. auf Bioanbau umstellen. Auf der anderen Seite ist Glyphosat sicher nicht so unproblematisch wie es manche darstellen", erklärte der Politiker und Mediziner. Daher sollten "europaweit sehr viel strengere Auflagen als bisher eingeführt werden", forderte Liese.

Der ökologische Anbauverband Biokreis zog eine Parallele zum Streit um das Freihandelsabkommen TTIP. "Wie bei den TTIP-Verhandlungen stehen die Interessen mächtiger Wirtschaftsverbände gegen die der Bevölkerung. Neben der Lebensmittelsicherheit steht viel Geld auf dem Spiel und Geheimhaltung ist an der Tagesordnung."

Gefahr für Entwicklungsländer

Der Wirkstoff Glyphosat wird rund um die Welt eingesetzt. Eine Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung stuft das Mittel als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Vor wenigen Tagen hatte die Weltgesundheitsorganisation eine Untersuchung mit gegenteiligem Ergebnis veröffentlicht. In geringen Mengen soll das Pestizid demnach keine Gesundheitsgefahr darstellen.

Nach Ansicht der Welthungerhilfe ist Glyphosat vor allem in Entwicklungsländern problematisch. Grundsätzlich vertraue sie auf das Urteil der Weltgesundheitsorganisation, dass das Pestizid bei korrekter Anwendung für Verbraucher keine Gesundheitsgefahr darstelle, sagte die Referentin für Ernährungspolitik bei der Welthungerhilfe, Marion Aberle, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwochsausgabe). Für Entwicklungsländer könne die Entwarnung aber nicht gelten, betonte Aberle. Als Beispiel nannte sie einen Fall aus Simbabwe. Nachdem die Bauern dort keine Baumwolle mehr anbauen konnten, setzten sie die für Baumwolle gedachten Pestizide und Dünger auf ihren Gemüsefeldern ein. "Das Gemüse hätte kein Mensch mehr essen dürfen, so hoch, wie es belastet war."