Pressefreiheit: Diskussion über schwarze Listen in der Türkei

Pressefreiheit: Diskussion über schwarze Listen in der Türkei
DJV verlangt Aufklärung von Außenminister Steinmeier - Aktuelle Stunde im Bundestag
Führt die Türkei schwarze Listen mit den Namen missliebiger Reporter? Zwei Journalisten ließen diese Vermutung aufkommen, doch das Auswärtige Amt weiß davon nichts.

Berlin (epd) Nach wiederholten Einreiseverweigerungen für ausländische Journalisten hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) die Türkei scharf kritisiert. Schulz warnte davor, schwarze Listen mit den Namen unerwünschter Reporter anzulegen. Sollte die Türkei tatsächlich solche Listen führen, müssten diese offengelegt werden, sagte Schulz der "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe). Der Umgang mit der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei wird auch Thema im Bundestag sein.

"Listen mit Journalistennamen haben in Demokratien nichts zu suchen", erklärte Schulz weiter. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Außenexperte Karl-Georg Wellmann forderte, solche Listen müssten "schnellstens öffentlich gemacht werden". Das Auswärtige Amt erklärte auf "Bild"-Anfrage, keine Kenntnis von schwarzen Listen der Türkei zu haben.

DJV verlangt Klarstellung

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fragte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), ob die türkischen Behörden eine Liste führten, auf der Journalisten besonders gekennzeichnet seien. In den vergangenen Tagen hatten zwei Journalisten, der Fotoreporter Giorgos Moutafis und der ARD-Korrespondent Volker Schwenck, erklärt, sie seien an türkischen Flughäfen festgesetzt worden mit der Begründung, ihre Namen stünden auf Listen.

Der DJV verlangte von Steinmeier außerdem eine Klarstellung der aktuellen Reisehinweise für die Türkei. In den Reisehinweisen werde davon abgeraten, in der Öffentlichkeit "politische Äußerungen gegen den türkischen Staat zu machen", schrieb der DJV-Vorsitzende Frank Überall in einem offenen Brief vom Montagabend an den Minister. Nun stelle sich die Frage, ob das auch für professionelle Äußerungen durch Journalisten gelte. Journalistische Arbeit umfasse nahezu immer eine Form von Kritik, erklärte Überall weiter. Abschließend wollte der DJV-Vorsitzende wissen, ob Journalisten befürchten müssten, auch bei einer privaten Einreise in die Türkei festgehalten zu werden. Einige Kolleginnen und Kollegen hätten entsprechende Sorgen geäußert.

Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt

Die Grünen im Bundestag beantragten eine Aktuelle Stunde zur Pressefreiheit in der Türkei. "Die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei werden immer weiter eingeschränkt", erklärte Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin. "Jedes kritische Wort über den türkischen Präsidenten Erdogan kann zu Repressionen führen." Eine Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen und der Meinungs- und Pressefreiheit sei im Rechtsstaat im Zweifel Sache einer unabhängigen Justiz und nicht der Politik.

Die SPD will unterdessen die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für 2018 angekündigte Abschaffung des Paragrafen zur Majestätsbeleidigung offenbar beschleunigen. "Die SPD-Fraktion wird einen Gesetzentwurf zur sofortigen Streichung der Paragrafen 103 und 104a Strafgesetzbuch vorlegen", sagte die SPD-Fraktionsvize Eva Högl der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe). "Die Regelung der 'Majestätsbeleidigung' passt nicht mehr in unser Rechtssystem", sagte Högl.

Wegen eines Schmähgedichts des Satirikers Jan Böhmermann hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von der Bundesregierung verlangt, dass Böhmermann über Paragraf 103 belangt wird. Die Kanzlerin erteilte - gegen das Votum der SPD-Minister - der Justiz die Ermächtigung zu Ermittlungen. Zugleich kündigte sie an, den Paragrafen zum 1. Januar 2018 abzuschaffen.