Patientenschützer fordern mehr Kontrollen bei Todesfällen in Krankenhäusern

Patientenschützer fordern mehr Kontrollen bei Todesfällen in Krankenhäusern
Ein Jahr nach der Verurteilung des Delmenhorster Krankenpflegers Niels H. zu lebenslanger Haft wegen fünf Morden an Patienten fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz mehr Kontrollen bei Todesfällen.
25.02.2016
epd
Jörg Nielsen (epd-Gespräch)

Delmenhorst, Dortmund (epd)"In den Krankenhäusern und in der Pflege wird viel zu selten eine qualifizierte Leichenschau vorgenommen, um die wahren Todesursachen festzustellen", sagte die Patientenberaterin Elke Simon von der Stiftung mit Sitz in Dortmund dem Evangelischen Pressedienst (epd). Schätzungen zufolge bleibe jeder zweite nicht natürliche Tod in Kliniken unerkannt.

"Kultur des Hinsehens"

Niels H. hatte bei vielen Patienten durch ein überdosiertes Herzmedikament gezielt einen Kreislaufkollaps herbeigeführt, um sich anschließend als Reanimateur beweisen zu können. Während des Prozesses gestand er weitere 30 Morde. Die Polizei untersucht zudem 202 Verdachtsfälle und lässt dafür Leichen exhumieren. In 21 Fällen wurde dabei der todbringende Wirkstoff Ajmalin nachgewiesen. Der Prozess hatte deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt, weil der Täter über Jahre hinweg getötet hatte, ohne dass dies auffiel.

Die Dimensionen des Delmenhorster Fall seien sicherlich einmalig, sagte Simon. Doch seien in den Krankenhäusern ungeklärte Todesfälle "nicht so selten, wie man meint". Vieles bleibe unentdeckt. "Jeden Tag passiert etwas in deutschen Kliniken, was nicht in Ordnung ist."

Simon forderte eine "Kultur des Hinsehens". In den Delmenhorster Krankenhäusern war kurz nach Bekanntwerden der Fälle eine qualifizierte Leichenschau eingeführt worden: Jeder Tote muss dort seitdem von einem Rechtsmediziner untersucht werden. Dies fordere die Patientenschutz-Stiftung bislang vergeblich für alle Krankenhäuser bundesweit. "Stattdessen wird an vielen Standorten die Pathologie abgebaut."

Hauptamtlichen Patientenbeauftragten gefordert

Nötig sei auch ein gegenseitiges Achthaben unter den Kollegen in den Häusern, unterstrich Simon. "Ist etwas auffällig, hat sich der Kollege verändert?" Obwohl Niels H. sehr oft bei Reanimationen dabei gewesen sei, habe dies niemand gemeldet. Auch der ungewöhnlich hohe Verbrauch des tödlichen Herzmedikaments habe niemanden skeptisch gemacht.

Zwar gebe es in vielen Krankenhäusern bereits ehrenamtliche Patientenfürsprecher, aber noch lange nicht in jedem Bundesland einen hauptamtlichen Patientenbeauftragten, kritisierte Simon. Dies müsse sich ändern. Besorgten Patienten und Angehörigen riet Simon, bei einem Verdacht eine Person des Vertrauens zu informieren und die Auffälligkeiten zu dokumentieren. "Sprechen Sie auch ruhig die Schwester direkt an, wenn Sie glauben, dass sie ihre Medikamente verwechselt hat." Fehler seien gerade im Krankenhaus-Stress nur menschlich.