«Unvorstellbares Blutbad»

«Unvorstellbares Blutbad»
Der erste deutsche Prozess zum Völkermord von Ruanda ist vorerst zu Ende: Das Frankfurter Oberlandesgericht verurteilte einen ehemaligen Bürgermeister für ein Massaker zu lebenslanger Haft. Der 58-Jährige war nicht nur Helfer, sondern Täter.

Frankfurt a.M. (epd)Ein früherer ruandischer Bürgermeister, der jahrelang in Deutschland lebte, muss wegen Völkermordes lebenslang in Haft. Das Oberlandesgericht Frankfurt verurteilte Onesphore Rwabukombe am Dienstag als Täter für ein Massaker, bei dem in Ruanda 1994 mindestens 400 Menschen ermordet wurden. Im Februar 2014 war der 58-Jährige bereits wegen Beihilfe zu 14 Jahren verurteilt worden (AZ: 5-3 StE 4/10-4-3/10). Der Bundesgerichtshof sah jedoch eine schwerere Schuld des Angeklagten und ordnete die Wiederaufnahme des Verfahrens an.

Nicht nur Gehilfe

Die Richter in Frankfurt urteilten nun, Rwabukombe sei bei dem Massaker nicht nur Gehilfe, sondern Täter gewesen und habe mit Völkermord-Absicht gehandelt. Der 58-Jährige hatte als Bürgermeister am 11. April 1994 einen Angriff auf eine Gruppe von Angehörigen der Tutsi-Minderheit angeordnet, die auf einem Kirchengelände Schutz gesucht hatten. Mindestens 400 Menschen wurden an jenem Tag mit Macheten, Knüppeln, Äxten und Beilen ermordet. "Was sich dort abspielte war ein unvorstellbares Blutbad", sagte der Vorsitzende Richter, Josef Bill. Das Gericht stellte eine besondere Schwere der Schuld fest.

Rwabukombe habe als Bürgermeister viel Einfluss gehabt, sagte Bill. "Der Angeklagte befehligte einen Mob und wusste, dass er die Autorität hatte, Personen zu beeinflussen." Am Tag vor dem Massaker habe er an einem Treffen mit anderen einflussreichen Personen teilgenommen, auf dem der Angriff auf die Flüchtlinge diskutiert worden sei. "Es galt nur noch, den Mob in Gang zu setzen." Mit dieser Einschätzung folgen die Frankfurter Richter der Auffassung des Bundesgerichtshofs, der in einem Revisionsverfahren zu dem Schluss kam, Rwabukombes Mitwirkung sei als Täterschaft zu werten.

Der Angeklagte stritt seine Verantwortung bis zuletzt ab und betonte in der vergangenen Woche, er sei unschuldig. "Wir halten das Urteil für falsch", sagte seine Verteidigerin, Natalie von Wistinghausen nach der Urteilsverkündung. Man wolle prüfen, Revision einzulegen. Die Verteidigung hatte auf Beihilfe zum Völkermord ohne besondere Schwere der Schuld plädiert.

2002 als Flüchtling nach Deutschland

Die Staatsanwaltschaft zeigte sich zufrieden damit, dass sich der Senat ihrer Rechtsauffassung angeschlossen hat. "Das Urteil zeigt, dass Täter schwerster Verbrechen auch Jahrzehnte danach noch zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Oberstaatsanwalt Jasper Klinge. Kein Täter dürfe sich in Deutschland in Sicherheit wiegen.

Rwabukombe kam 2002 als Flüchtling nach Deutschland und bekam Asyl. Der frühere Bürgermeister wurde nicht nach Ruanda ausgeliefert, weil es Befürchtungen gab, er könnte dort kein faires Verfahren bekommen. Unter dem Weltrechtsprinzip kann die deutsche Justiz Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen, auch wenn diese im Ausland oder von Ausländern begangen wurden.

Der Prozess gegen Rwabukombe ist das erste Verfahren seiner Art, das sich mit dem Genozid in Ruanda beschäftigte. Beim Völkermord von Ruanda starben 1994 innerhalb weniger Monate etwa 800.000 Angehörige der Tutsi-Minderheit und sogenannte "gemäßigte" Hutu.