Frankfurter Ruanda-Prozess: Verteidigung streitet Täterschaft ab

epd-bild / Jochen Günther
Onesphore Rwabukombe im Februar 2014 vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
Frankfurter Ruanda-Prozess: Verteidigung streitet Täterschaft ab
Zehn Jahre Haft für ruandischen Ex-Bürgermeister wegen «Beihilfe zum Völkermord» beantragt
Zum Abschluss des ersten deutschen Prozesses zum Genozid in Ruanda lässt eine Frage die Ansichten von Staatsanwaltschaft und Verteidigung weit auseinandergehen: War der Angeklagte beim Massaker an Hunderten Tutsi Täter oder bloß Gehilfe?

Frankfurt a.M. (epd)Im neu aufgerollten Frankfurter Prozess zum Völkermord in Ruanda sieht die Verteidigung des ehemaligen Bürgermeisters Onesphore Rwabukombe allenfalls den Tatbestand der Beihilfe als erfüllt an. "Nicht jeder Beteiligte ist unmittelbar auch Täter", erklärte Anwältin Natalie von Wistinghausen am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht und forderte eine zehnjährige Freiheitsstrafe. Rwabukombe wird ein Massaker an Schutz suchenden Tutsi im April 1994 zur Last gelegt. Die Anklage sieht ihn als Mittäter und fordert lebenslange Haft.

Der 58-jährige Angeklagte war wegen des Blutbads in Kiziguro, bei dem mindestens 400 Tutsi ermordet wurden, bereits im Februar 2014 vom OLG Frankfurt wegen Beihilfe zum Völkermord zu 14 Jahren Haft verurteilt worden (AZ: 5-3 StE 4/10-4-3/10). Der Bundesgerichtshof (BGH) kippte dieses Urteil jedoch im Mai (AZ 3 StR 575/14). Der Grund: Rwabukombe sei möglicherweise eine schwerere Schuld anzulasten. Seit Anfang Dezember prüft der vierte Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt nun erneut, wie die Rolle des Angeklagten zu werten ist. Ein Urteil wird für kommenden Dienstag erwartet.

Verteidigung: Täterschaft nicht erwiesen

Von Wistinghausen wies in ihrem Schlussplädoyer erneut darauf hin, dass eine Täterschaft Rwabukombes nicht erwiesen sei. Demnach sei die Beweisaufnahme "erschreckend kurz" ausgefallen, sagte die Anwältin in Anlehnung an ihr Revisionsbegehren nach dem ersten Urteil vom Februar 2014. Die darin betonten "Verfahrensfehler" hatte der BGH in seinem Urteil im Mai jedoch nicht erkannt und die Beweisaufnahme der Vorinstanz nicht beanstandet.

Es komme dennoch nur eine Verurteilung Rwabukombes wegen Beihilfe infrage, betonte von Wistinghausen. Er habe das Blutbad nicht verhindern können, erklärte sie. Zudem habe der frühere Bürgermeister nie die Absicht gehegt, alle in Ruanda lebenden Tutsi vernichten zu wollen.

Vielmehr habe sich Rwabukombe selbst nach dem Massaker vom 11. April 1994 dafür eingesetzt, dass Angehörige der Tutsi-Minderheit sicher aus dem afrikanischen Land hätten fliehen können. Entsprechend könne Rwabukombe auch keine "Zerstörungsabsicht" der Volksgruppe der Tutsi nachgewiesen werden, sagte von Wistinghausen. Diese sei aber eine notwendige Bedingung für eine Verurteilung als Täter.

Angeklagter bestreitet die Vorwürfe

Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass der Angeklagte möglichst viele Tutsi ermorden lassen wollte. Rwabukombe forderte demnach am Tatort kraft seiner Autorität als Bürgermeister zum Töten auf und fuhr Täter persönlich dorthin. "Onesphore Rwabukombe ist des mittäterschaftlich begangenen Völkermordes schuldig zu sprechen", forderte Oberstaatsanwalt Jasper Klinge in seinem Plädoyer am Dienstag.

Rwabukombe selbst bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe: "Ich bin unschuldig", betonte er vor dem Frankfurter Gericht. Der Völkermord in Ruanda sei "eine Katastrophe". Dazu fehlten ihm die Worte. Bei dem Genozid im Jahr 1994 wurden rund 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu von radikalen Hutu ermordet.

Völkermord-Verbrechen wiegen so schwer, dass sie nach dem Weltrechtsprinzip überall auf der Welt geahndet werden können. Rwabukombe war 2002 nach Deutschland gekommen und hatte Asyl erhalten. Seit 2010 saß er in Untersuchungshaft. Er wurde nicht nach Ruanda ausgeliefert, da es Zweifel gab, dass er dort ein faires Verfahren bekommen hätte.