Welttag der Suizidprävention: Junge und Ältere sind besonders
gefährdet

epd-bild / Gustavo Alàbiso
Vor einem Suizid waren viele Menschen bei ihrem Hausarzt. Experten sagen, dieser Hilferuf werde zu selten erkannt.
Welttag der Suizidprävention: Junge und Ältere sind besonders gefährdet
Jede Stunde nimmt sich ein Mensch in Deutschland das Leben. Experten raten, Verwandte sollten Angehörige unbedingt ansprechen, wenn sie Selbsttötungs-Absichten vermuten. Defizite gebe es auf ärztlicher Seite.

Berlin (epd)Warnsignale früh erkennen und eine bessere Vorbeugung sind die Anliegen des Welttags der Suizidprävention an diesem Donnerstag. Der Deutsche Caritasverband stellte anlässlich des Welttages (10. September) am Mittwoch in Berlin sein Online-Beratungsangebot für gefährdete Jugendliche vor. Nach Meinung von Experten hat die Enttabuisierung des Themas seit den 1980er Jahren zu einem Rückgang der Selbsttötungen geführt.

Noch immer aber nimmt sich jede Stunde in Deutschland ein Mensch das Leben, laut Statistischem Bundesamt sind es 10.000 pro Jahr. 100.000 Menschen unternehmen einen Selbstmordversuch. Unter Jugendlichen ist der Suizid nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache. Besonders gefährdet sind außerdem die über 60-Jährigen.

Kein Tabu mehr

Junge Menschen nähmen die klassische Beratung kaum an, erklärte der Caritasverband. Deshalb hat der katholische Wohlfahrtsverband ein eigenes Angebot entwickelt: Auf www.u25-deutschland.de können Jugendliche mit einer verschlüsselten Mail anonym um Hilfe bitten. Die Antworten kommen - ebenfalls per Mail - von speziell ausgebildeten jungen Leuten, die von hauptamtlichen Sozialpädagogen an fünf Standorten - in Freiburg, Berlin, Dresden, Gelsenkirchen und Hamburg - unterstützt werden.

Weil die Nachfrage die Kapazitäten übersteigt, soll das Angebot im kommenden Jahr ausgeweitet werden. Die Finanzierung sei aber nicht gesichert, erklärte Caritas-Präsident Peter Neher und forderte öffentliche Gelder für das Angebot. Es wird bisher allein aus Mitteln der Kirche und Spenden finanziert.

Der Hamburger Psychologe Georg Fiedler, der sich im Nationalen Suizidpräventionsprogramm engagiert, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es wirke sich positiv aus, dass man über das Thema Suizid heute sprechen könne. Vor 35 Jahren sei die Suizidrate fast doppelt so hoch gewesen. Verwandte sollten einen Angehörigen unbedingt ansprechen, wenn sie bei ihm Selbsttötungs-Absichten vermuten. Wenn sich Selbstmordgefährdete frühzeitig an Experten wendeten, ließen sich Suizide verhindern, sagte Fiedler, der am Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf arbeitet.

Hilferuf selten erkannt

Defizite sieht Fiedler auf ärztlicher Seite. Drei Viertel aller Menschen, die Suizid begangen haben, waren Untersuchungen zufolge in den vier Wochen davor beim Hausarzt: "Das ist ein Hilferuf, der noch viel zu selten erkannt wird", sagte Fiedler. Selbstmordgefährdete Menschen bräuchten zudem schnell einen Therapieplatz. Tatsächlich aber müssten sie oft monatelang warten.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat in der Debatte um den assistierten Suizid angekündigt, die Mittel für die Suizidprävention zu erhöhen. Die Bundesregierung hat nach Angaben des Gesundheitsministeriums den Aufbau des Kompetenznetzwerks Depressionen mit knapp 16 Millionen Euro gefördert und beteiligt sich gegenwärtig mit einer Million Euro an einem Programm gegen die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeinck, forderte anlässlich des Welttages der Suizidprävention, das Beratungsangebot auszuweiten und sich besonders auf ältere Menschen zu konzentrieren.