Siebte Woche 2015: Du bist Gottes Ebenbild!

Siebte Woche 2015: Du bist Gottes Ebenbild!
Genesis 1, 24-27
Zum Ende der Fastenzeit bekommen wir einen starken Zuspruch: Wir Menschen sind wie Gott. Das heißt auch: Wir sind "männlich" und "weiblich". In der letzten Übungsaufgabe von Frank Muchlinsky geht es darum, beide Geschlechter in uns zu finden, ohne es jeweils zu bewerten.

Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. (Genesis 1,24-27)

 

Liebe wunderbar gemachte, talentierte, manchmal verkannte, faire, kleine, aber wichtige, schöne Ebenbilder Gottes!

Wir steuern direkt auf die Höhepunkte der Passionszeit zu. Das bedeutet auch, dass unsere Fastenaktion ihrem Ende entgegengeht. Der letzte Bibelvers und das Motto dazu, die uns in diesem Jahr angeboten werden, sind dementsprechend groß und bedeutend. Du bist Gottes Ebenbild! Was kann man Größeres über uns Menschen sagen als das? Es ist mehr als ein "göttlicher Funke" in uns oder der Geist Gottes, der uns bewegt. Wir sind Gottes Bilder! Wir sind Gott wie aus dem Gesicht geschnitten. Interessanterweise wird gleich dazu gesagt: "Und er schuf sie als Mann und Frau." Im Hebräischen heißt das "zakar uneqebah", was wörtlich übersetzt bedeutet: "männlich und weiblich". Die übliche Übersetzung "Mann und Frau" ist also nicht ganz korrekt, denn dann müsste es im Hebräischen heißen "isch (Mann) we (und) ischah (Frau)". Gottes Ebenbild ist also männlich und weiblich. Das Geschlecht der einzelnen Person spielt also keine Rolle, wenn es darum geht, Gottes Ebenbild zu sein. Oder anders gesagt: Um Gottes Ebenbild zu sein, braucht es männlich und weiblich.

Der Mensch hat allerdings von Anfang an viel Energie darauf verwendet, jede Person vor allem über ihr Geschlecht zu definieren. Die erste Frage nach der Geburt lautet in den allermeisten Fällen: Junge oder Mädchen? Sich über das eigene Geschlecht zu definieren, ist in vielen Zusammenhängen durchaus sinnvoll. Wenn es beispielsweise um Fortpflanzung geht, kommen wir nicht darum herum. Doch hat die ständige Identifizierung mit einem Geschlecht auch Nachteile gebracht, vor allem wenn es darum geht, bestimmte Eigenschaften dem einen oder dem anderen Geschlecht zuzuordnen. Sie kennen das sicherlich: Frauen sind sanft, Männer sind stark. Frauen reden gern, Männer handeln lieber. Männer können sich durchsetzen, Frauen können gut ausgleichen. Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus.

Es gibt Tausende solcher Zuweisungen. Ich will gar nicht fragen, ob solche Zuweisungen zutreffen. Statistiken dürften zeigen, dass all diese Aussagen in der Mehrzahl zutreffen. Fraglich ist allerdings, ob all das mit unserem Geschlecht zu tun hat oder nicht vielmehr mit der Tatsache, dass wir eben entweder als Mann oder als Frau erzogen werden. Natürlich sind Mädchen sanft und gefühlvoll, wenn man ihnen zeitlebens beibringt, dass sie als Frau eben genau so sein müssen. Natürlich werden Jungen durchsetzungskräftig, wenn man ihnen das von Anfang an als männliche Tugend vermittelt. Die Erziehung in einer bestimmten Geschlechterrolle engt jeden Menschen ein, beschränkt dessen Fähigkeiten vom Augenblick der Geburt an. Wir haben einige Fähigkeiten unterdrückt, weil sie unserem Geschlecht angeblich widersprechen. Gott hat den Menschen männlich UND weiblich zu seinem Ebenbild geschaffen.

Darum möchte ich Ihnen heute anbieten, dass Sie sich eine Fähigkeit suchen, die eben gerade nicht dem entspricht, was man Ihnen als Ihrem Geschlecht entsprechend beigebracht hat. Dafür brauchen Sie einen Stift und einen Zettel. In den letzten Wochen haben Sie in unseren kleinen Übungen viel Gelegenheit gehabt, sich deutlich zu machen, was Sie alles können, was alles gut, richtig und schön an Ihnen ist. Nun dürfen Sie einmal all das aufschreiben, was Sie gern noch können würden, was Ihnen noch fehlt, wo Sie gern noch besser wären. Schreiben Sie drauflos. Es geht nicht darum, Ihre Fehler zu finden, sondern nach Ihren Wünschen zu suchen. Welche Situationen fallen Ihnen ein, in denen Sie sich gern anders verhalten hätten? Welche Begebenheiten kommen Ihnen in den Sinn, in denen Sie gern etwas gekonnt hätten, was Sie aber nicht zustande brachten? Schreiben Sie es als Fähigkeit auf. "Ich würde gern… können!" Machen Sie nach einem solchen Beispiel weiter. Forschen Sie, bis Sie mehrere solcher Fähigkeiten gefunden haben.

Wenn Sie ein paar Wünsche dieser Art formuliert haben, schauen Sie auf Ihre Liste und suchen Sie nach einer Fähigkeit, die nach allgemeiner Meinung nicht zu Ihrem eigenen Geschlecht passt. Am leichtesten geht das, wenn Sie sich bei jeder Eigenschaft, jeder Fähigkeit fragen, ob unsere Gesellschaft sagen würde: "Das können Männer besser" oder eben "Das können Frauen besser". Schreiben Sie hinter jede Fähigkeit entsprechend ein M oder ein F, und suchen Sie sich dann eine Wunschfähigkeit aus, die dem anderen als Ihrem eigenen Geschlecht zugeschrieben wird. Schauen Sie sich diese Wunschfähigkeit eine Weile an. Das würden Sie gern können!

Nun können Sie überlegen, was Sie tun können, um das zu lernen. Wer kann Ihnen dabei helfen? Wo werden Sie auf Widerstände stoßen? Wie können Sie solche Widerstände überwinden? Stellen Sie sich vor, Sie hätten diese Fähigkeit erlangt. Was würden Sie damit anfangen? Motivieren Sie sich, indem Sie überlegen, wie sich Ihr Leben verändern würde. Gibt es vielleicht andere, die mit Ihnen zusammen das lernen können? Wie können Sie sich mit denen zusammenschließen?

"Du bist wunderbar gemacht! Du bist ein Talent! Du bist nicht, wofür man dich hält! Du bist fair! Du bist klein, aber wichtig! Du bist schön! Du bist Gottes Ebenbild" – und als dieses Ebenbild spielt dein Geschlecht keine Rolle. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie ermutigt und gestärkt auch in die letzten Tage der Fastenzeit gehen. Bewahren Sie sich auch nach diesen sieben Wohnen "ohne Runtermachen" den positiven Blick auf sich selbst und auf andere. Wenn Sie mögen, schreiben Sie mir, was Sie mit den verschiedenen Übungen erlebt haben. Meine E-Mail-Adresse lautet frank.muchlinsky@evangelisch.de.

Ich grüße Sie und hoffe, dass ich Ihnen im nächsten Jahr wieder schreiben darf.

Ihr Frank Muchlinsky