Liebe Gemeinde,
der Mann fiel mir sofort auf, als ich zum ersten Mal die Alexanderkirche betrat. Sein Blick, seine Haltung, seine Ausstrahlung. Ziemlich groß, um nicht zu sagen stattlich. Ungefähr eineinhalb Jahre ist das jetzt her. Ich interessierte mich für eine Pfarrstelle in Wildeshausen und wollte sehen, wie die Kirche aussieht. Und da stand der Mann, freundlich und einladend. Seine Kleidung, naja wie soll man sagen, eher ungewöhnlich; so ganz in rot. Und das Haar? Eine sympathische Löwenmähne.
(Das Fenster mit den "roten Christus" in der Alexanderkirche in Wildeshausen, Foto: rundfunk.evangelisch.de)
Jeder, der mit offenen Augen diese Kirche betritt, begegnet diesem Mann: Jesus Christus, dort im Kirchenfenster. Sein Anblick führt unwillkürlich zum Kern des christlichen Glaubens. Worum es dabei geht, haben wir eben gehört, als wir im Evangelium Zeugen eines nächtlichen Gespräches wurden. Zwischen Jesus und einem jüdischen Geistlichen namens Nikodemus. Doch bevor es zu dieser Begegnung kommt, vollzieht sich eine innere Bewegung. Nikodemus hat von etwas Neuem gehört, was ihn anspricht und ist neugierig geworden.
Diese Erfahrung teilt Nikodemus mit vielen Pilgern: Er spürt tief in sich eine Sehnsucht nach mehr als dem, was er schon hat oder ist. Und nach mehr, als sein Alltag je erfüllen kann. So macht sich Nikodemus mit seiner Sehnsucht und seinen Fragen auf den Weg zu Jesus. Nachts, im Schutz der Dunkelheit, wenn die meisten schlafen, ihn aber viele Fragen umtreiben. Wenn er allein ist mit sich selbst und dem Himmel über sich.
###info-1###Bis heute gehen viele Menschen in den Spuren von Nikodemus. Aus ganz unterschiedlichen Motiven. Herr Schulte bricht im Ruhestand auf, um aus der norddeutschen Tiefebene nach Santiago de Compostella zu gelangen. Herr Killing nimmt sich Ende 20 eine Auszeit, um diese 3000 Kilometer zu Fuß zu gehen.
Und die haben es in sich! Denn Pilgerwege sind keine Wellnesstour. Da gibt es kurze Anstiege, die leicht fallen. Aber auch Passhöhen und Berge, die schnell den Mut nehmen können. Auch innen, im Herzen, sind solche Pilgerwege kein Sonntagsspaziergang. Denn auf dem Weg begegnen viele Pilger ihrer eigenen Lebensgeschichte und kauen in Selbstgesprächen noch mal durch, was sie geprägt, beeindruckt oder tief verletzt hat.
###info-2###Und es gibt auch das Andere: Tief berührende Gottesbegegnungen, etwa in einer kleinen Kapelle am Wegesrand. Mit einem kühlen Kirchenraum, dem Rucksack auf dem Boden, Kerzenlicht und dem Gefühl, Gott plötzlich ganz nahe zu sein. Der Organist übt gerade und es erklingt Musik, die die Seele weiter öffnet. Wie häufig werden dann unsere Selbstgespräche vom Wege zu Gebeten und wir können verwandelt und friedvoller unsern Weg fortsetzen!
Auch innen, im Herzen, sind solche Pilgerwege kein Sonntagsspaziergang. Denn auf dem Weg begegnen viele Pilger ihrer eigenen Lebensgeschichte und kauen in Selbstgesprächen noch mal durch, was sie geprägt, beeindruckt oder tief verletzt hat.
Und es gibt auch das Andere: Tief berührende Gottesbegegnungen, etwa in einer kleinen Kapelle am Wegesrand. Mit einem kühlen Kirchenraum, dem Rucksack auf dem Boden, Kerzenlicht und dem Gefühl, Gott plötzlich ganz nahe zu sein. Der Organist übt gerade und es erklingt Musik, die die Seele weiter öffnet. Wie häufig werden dann unsere Selbstgespräche vom Wege zu Gebeten und wir können verwandelt und friedvoller unsern Weg fortsetzen!
Ob Nikodemus in seinem Gespräch mit Jesus auch über die Höhen und Tiefen seines Lebens gesprochen hat, wissen wir nicht. Aber wir erfahren, dass er sich für diesen Neuanfang, der mit der Person Jesu aufscheint, interessiert. Sein Wohlwollen ist gleich zu Beginn des Gespräches zu spüren und zu hören. "Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat."
Jesus allerdings sieht sich selbst und seine Mission etwas anders. Nicht nur als herausragenden Menschen, Lehrer und Bergprediger, als Jesus von Nazareth. Sondern als Sohn Gottes, als Christus, der gekommen ist, um den Menschen einen Neuananfang zu schenken. So sagt er über sich: Wer dieses Angebot annehmen kann, kann in seinem Leben neu geboren werden.
Das ist jederzeit möglich, sagt Jesus: Du musst von oben her, aus Wasser und aus dem Geist neu geboren werden. Damit spielt Jesus gegenüber Nikodemus auf die Taufe an. Sie ist ein echter Neustart, weil Gott in der Taufe alle Schuld, den Staub deiner Seele abwäscht, den du auf deinen Lebensstraßen angesammelt hast.
Doch Nikodemus zögert: "Wie kann denn ein Mensch geboren werden, der schon alt ist?" Da spricht der nüchterne Realist, der sich mit seinen Erklärungen in dieser Welt eingerichtet hat. Damit verlässt er noch nicht die Rolle des Zuschauers. Denn: Wer sich auf diesen Neuanfang einlässt, beginnt ein neues Leben, unabhängig von seinem biologischen Alter. Damit ist dieser Mensch nicht mehr auf das festgelegt, was war, sondern kann seine Begabungen, seine Möglichkeiten neu leben und entfalten.
###mehr-artikel###Das ist ein Weg, der den Himmel schon jetzt auf der Erde aufscheinen lässt. Auf diesem weiteren Weg hat man Jesus Christus als Weggefährten auf ganz besondere Weise. Wie, das möchte ich Ihnen gerne in dieser Kirche zeigen. Bitte folgen Sie mir für einen Moment von der Kanzel zum Eingang. Und lauschen Sie dabei schon mal den ersten Takten eines Liedes, das uns gleich von einer himmlischen Straße singt.
(Der "rote Christus" scheint den Gekreuzigten zu tragen. Foto: rundfunk.evangelisch.de)
Sehen Sie? Von diesem Standpunkt aus sieht man: Christus segnet und trägt mit seinen geöffneten Armen den Gekreuzigten. Karfreitag und Ostern, Leiden und Lebensfreude zusammen in einem Bild. Eigentlich ein unwirkliches, ein absurdes Bild zweier Ereignisse, die nacheinander liegen. Wir, die wir von Jesu Auferstehung wissen, können es aber zusammen sehen. Und beide Ereignisse zusammen bringen. Ich finde, dann ist es ein wundervolles, tröstliches Bild.
Es sagt mir: Von oben her neu geboren werden, heißt in Jesus den Gottes Sohn zu erkennen. Sein Tod am Kreuz und seine Auferstehung zu Ostern gilt auch mir und allem, was in meinem Leben von Leid gezeichnet ist und auf Verwandlung hofft. Dass Christus mit seinem Segen unseren Schmerz, unsere Schuld, unser Kreuz trägt und liebevoll umschließt.
Diese Erkenntnis wollen wir hier in Wildeshausen als Gastgeber Pilgern gerne weitergeben. Denn wir glauben, dass sich damit die Wege, die wechselnden Pfade, unter unseren Füßen verwandeln. Wie es das folgende Lied besingt: Es sieht die Anstiege und Berge und ermutigt gleichzeitig, nicht müde zu werden, weil es Gottes Angebot zu neuem Leben gibt.
Darauf antwortet das Lied: Ehre sei Gott. Und fordert uns auf, aus vollem Herzen zu singen: Lobt Gott. Glory. Halleluja. Geht weiter auf dieser himmlischen Straße.
Amen