Was hat Taufe mit Freiheit zu tun?

Foto: Emrah Turudu/iStockphoto
Foto: Emrah Turudu/iStockphoto
Was hat Taufe mit Freiheit zu tun?
Die Taufe ist die Eintrittstür in die christliche Gemeinschaft. Das Sakrament hat zentrale Bedeutung für alle Christen - und als solches eine lange Geschichte. Die theologische und kirchliche Prägung des Rituals wird dabei immer wieder neu verhandelt und erschlossen. Oberkirchenrat Vicco von Bülow erklärt wichtige Aspekte der "Eintrittstür in die christliche Gesellschaft".
09.09.2012
Vicco von Bülow

Was hat Taufe mit Freiheit zu tun?

Sehr viel! Die Taufe "befreit nach dem Zeugnis des Neuen Testaments von der Macht der Sünde, der Macht der bewussten oder unbewussten Abwendung von Gott mit ihren vielen verheerenden Folgen" – so formuliert es der Rat der EKD in seiner Orientierungshilfe zur Taufe. Und er fährt fort, dass die Taufe gerade heute "einen Gegenentwurf zu einem Leben in den Abhängigkeiten und Gefangenschaften dieser Welt eröffnet, der Freiheit im Glauben bedeutet." Die Taufe befreit zum Leben und macht frei von den Verstrickungen, die dieses Leben behindern – so glauben und bekennen es Christinnen und Christen.

Soll man Kleinkinder von der Macht der Sünde befreien? Die haben doch nichts verbrochen!

"Macht der Sünde" bedeutet nicht, dass jemand unmoralische Handlungen ausübt. So etwas könnte niemand einem Säugling oder Kleinkind ernsthaft unterstellen. Sondern dass jeder Menschen geneigt ist, sein Leben ausschließlich in eigener Regie und also ohne Gott zu führen. Die Folgen: Vereinsamung und Egoismus, Angst und Enge, Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst, anderen Menschen und der Umwelt. Insofern folgen der Macht der Sünde später, wenn aus dem Kleinkind ein mündiger Mensch geworden ist, auch unmoralische Handlungen.

Was ändert die Taufe nach christlicher Vorstellung im menschlichen Leben?

Die Bibel erzählt, dass sich bei Jesu Taufe der Himmel über ihm geöffnet habe und der Geist Gottes auf ihn herabgekommen sei. Mit diesem Geist ist eine Macht gemeint, über die der Mensch nicht verfügen kann: die schöpferische, lebensförderliche, rettende Kraft Gottes. Diesen Geist, der nach der Taufe auf Jesus ruhte, behielt er aber nicht für sich, sondern er gab anderen Anteil an ihm.

Daher sollen auch gläubige Christen ihre Hoffnung und Glaubenskraft nicht für sich behalten, sondern sich anderen Menschen zuwenden und ihren Lebensmut und ihre Hoffnung mit anderen teilen. Bei der Taufe geht es also auch um den Auftrag, im eigenen Leben ethisch im Sinne Jesu zu handeln. Nicht politische oder ökonomische Mächte, nicht irgendwelche Ideologien sollen unser Denken und Handeln beherrschen, sondern Gott, der sich uns in Jesus Christus freundlich zugewandt hat.

Müssen nach christlichem Verständnis Ungetaufte unfrei sein?

Nein. Das Menschenrecht, frei zu sein, steht selbstverständlich allen Menschen zu. Es ist begründet in der Menschenwürde, die Hannah Ahrendt "das Recht, Rechte zu haben" genannt hat. Dazu gehört auch das Recht, frei zu sein. Für Christen leitet sich die Menschenwürde aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen ab. Die Bibel sagt, dass jeder Mensch, Mann und Frau, "zum Bilde Gottes" geschaffen ist. Darin gründet seine unverlierbare Würde, das macht ihn frei. Die Taufe, die seit urchristlicher Zeit als Neuschöpfung verstanden wurde, erneuert diese Freiheit. Aber durch die Bindung an Jesus Christus kann der Getaufte eine innere Freiheit im Glauben erleben, die ihn falschen Versprechen gegenüber skeptisch werden lässt. Ihm kann sich der Blick dafür öffnen, was wahre Gerechtigkeit bedeutet und was ethisch verantwortliches Handeln ausmacht.

###mehr-artikel###

Gehört nach christlichem Verständnis zur Freiheit auch das Recht, andere Religionen auszuüben?

Ja. Christen haben im Laufe der Kirchengeschichte gelernt, die Menschenrechte als Grundlage des menschlichen Zusammenlebens zu akzeptieren. Dazu gehört auch die Religionsfreiheit in ihrer positiven wie negativen Form: Das Recht, seine Religion frei und ungehindert auszuüben, also die Freiheit zur Religion. Und die Möglichkeit, seine religiösen Überzeugungen nicht zu offenbaren, oder gar keine solchen Überzeugungen zu haben, also die Freiheit von der Religion.

Verstehen Katholiken unter der Taufe das Gleiche wie Evangelische?

Protestanten können guten Gewissens dem zustimmen, was im Katechismus der Katholischen Kirche von 1993 über die Taufe steht. Dort steht zum Beispiel, dass die Taufe alle Christen verbindet: "Die Taufe bildet die Grundlage der Gemeinschaft aller Christen, auch mit jenen, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen."

Zwar schränkt der Katechismus gleich darauf ein, diese Gemeinschaft aller Christen sei noch nicht vollkommen: "Wer an Christus glaubt und in der rechten Weise die Taufe empfangen hat, steht dadurch in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche."

Dennoch: In den wesentlichen Punkten sind sich Katholiken und Protestanten über die Wirkung der Taufe einig: "Nichtsdestoweniger werden sie aufgrund des Glaubens in der Taufe gerechtfertigt, Christus einverleibt, und darum gebührt ihnen der Ehrenname des Christen, und mit Recht werden sie von den Kindern der katholischen Kirche als Brüder im Herrn anerkannt. Die Taufe begründet also ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind."

Wenn ich mein Kind schon katholisch getauft habe – muss ich es noch mal taufen lassen, wenn es später evangelisch werden will?

Nein. Gottes "Ja" in der Taufe bleibt bestehen. Viele Kirchen bezeichnen die Taufe als "Sakrament der Einheit" der Christen und erkennen sie wechselseitig an.

Wie kann ich sicher sein, dass meine Taufe auch wirklich anerkannt wird?

Am 29. April 2007 unterzeichneten elf Kirchen im Magdeburger Dom feierlich eine gemeinsame Erklärung zur christlichen Taufe: "Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung bedeutet die Taufe Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit.

Trotz der Unterschiede im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe. Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4–6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar. Wir bekennen . . . : Unsere eine Taufe in Christus ist ,ein Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren.‘"

Wieso kamen die Kirchenvertreter hierfür ausgerechnet nach Magdeburg?

Dort im Dom steht ein besonders geschichtsträchtiger Taufstein aus Porphyr, einem Material, das im Mittelalter Kaisern vorbehalten war. Kaiser Otto der Große (912–973 n. Chr.) ließ das Becken – ursprünglich eine Brunnenschale – in den Magdeburger Dom stellen und fortan als Taufstein nutzten. Damals waren Ost- und Westkirchen noch nicht getrennt (zur Trennung kam es erst 1054 n. Chr.), in Europa gab es nur eine Kirche für alle Christen. Der Magdeburger Taufstein symbolisiert, dass die Taufe die Christen aller Kirchen verbindet.

Woher weiß ich, ob meine Kirche auch zu den Unterzeichnern der Erklärung zählt?

Neben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der römisch-katholischen Kirche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz haben folgende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehörenden Kirchen dieser gemeinsamen Erklärung zugestimmt:

  • die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche
  • die Arbeitsgemeinschaft Anglikanisch-Episkopaler Gemeinden in Deutschland
  • die Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland
  • die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen
  • die Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine
  • die Evangelisch-methodistische Kirche
  • das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland
  • die Orthodoxe Kirche in Deutschland
  • die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche

Die täuferischen Kirchen innerhalb der ACK (Baptisten, Mennoniten) und die Heilsarmee stimmten der Erklärung nicht zu. Sie lehnen die reine Kindertaufe ab. Wer nicht selbstständig seinen Glauben bekennen könne – wie ein Erwachsener –, sei auch nicht vollgültig getauft. Für die meisten Christinnen und Christen in Deutschland gilt seither schwarz auf weiß: Wer getauft ist, dessen Taufe wird über die Grenzen der eigenen Kirche anerkannt. Die Taufe ist die Eintrittstür in die christliche Gemeinschaft.