Böckler-Stiftung: Hartz IV ist bis zu 45 Euro zu niedrig

Böckler-Stiftung: Hartz IV ist bis zu 45 Euro zu niedrig
Hartz-IV-Leistungen sollen das Existenzminimum sichern. Die Armutsforscherin Irene Becker bezweifelt jedoch, dass der Regelsatz reicht. Sie sieht Defizite bei der Berechnung. DGB-Vorstand Buntenbach fordert Verbesserungen.

Hartz-IV-Empfänger bekommen nach einer Studie der Verteilungsforscherin Irene Becker deutlich zu wenig Geld. Der Regelsatz sei um bis zu 45 Euro zu niedrig berechnet, erklärte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf. Statt aktuell 399 Euro stünden einem alleinstehenden Leistungsempfänger eigentlich bis zu 444 Euro im Monat zu. Es sei eindeutig, dass die Regelsätze heruntergerechnet würden, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Das kann und muss sofort geändert werden", forderte sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwochsausgabe).

Berechnung ignoriert verdeckte Armut

Laut Studie wird bei der Berechnung des Regelsatzes unter anderem die sogenannte verdeckte Armut nicht berücksichtigt. Die Höhe der Grundsicherung orientiert sich an der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Maßgeblich ist der Verbrauch der unteren 15 Prozent der alleinstehenden Bevölkerung, wobei Hartz-IV-Empfänger herausgerechnet werden. Damit soll ein Zirkelschluss verhindert werden, bei dem Hilfsbedürftige an sich selbst gemessen werden.

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Nicht herausgerechnet werde aber die sogenannte verdeckte Armut, kritisiert Becker in ihrer Analyse. Als verdeckt arm gelten Menschen, die zwar einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben, ihn aber aus Scham oder Unkenntnis nicht einlösen. Nach Expertenschätzungen machten rund 40 Prozent der Bedürftigen ihre Ansprüche nicht geltend, hieß es. Diese Gruppe von Menschen, die unter dem amtlichen Existenzminimum leben, verzerre das Bild zulasten der Hilfsbedürftigen, erklärte die Autorin der Studie.

Allein ohne die verdeckte Armut läge der Regelsatz nach ihren Berechnungen um zwölf Euro im Monat höher. Außerdem weist die Wissenschaftlerin auf weitere Unzulänglichkeiten bei der Berechnung hin. So sei das Berechnungsverfahren 2011 auch in anderer Hinsicht auf fragwürdige Weise verändert worden, etwa durch pauschale Abzüge für Tabak oder Schnittblumen.

Würden alle diese Veränderungen rückgängig gemacht, alle vom Bundesverfassungsgericht 2010 formulierten Forderungen an die Grundsicherung berücksichtigt und die verdeckt Armen herausgerechnet, komme man auf die Gesamtdifferenz von 45 Euro im Monat. Daher müsste der Regelsatz 444 Euro betragen.