Ein Schreiber im Namen des Herrn

Foto: epd/Daniel Peter
Ein Schreiber im Namen des Herrn
Er ist Bestseller-Autor, doziert vor Wirtschaftsbossen über christliche Werte und verwaltet seit mehr als 30 Jahren das Geld der Benediktiner-Abtei Münsterschwarzach. Am 14. Januar wird der weißbärtige Pater Anselm Grün 70 Jahre alt.
14.01.2015
epd
Daniel Staffen-Quandt

Ob sich sein Wunsch zum 70. Geburtstag am 14. Januar erfüllt, das wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Ab seinem runden Geburtstag wolle er "etwas kürzer treten", hatte Pater Anselm Grün schon im Sommer gesagt - und gleich eingeschränkt: "Wenn das irgendwie geht". Der Benediktiner ist, auch wenn er das abstreitet, der Star seiner Abtei. Seine mehr als 300 Bücher wurden in rund 30 Sprachen übersetzt, er bringt als Kursleiter weltlichen Managern das Führen mit Werten bei, nebenbei kümmert er sich noch um die Geldgeschäfte des Klosters Münsterschwarzach bei Würzburg. Da bleibt wenig Zeit fürs Kürzertreten.

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Wer Anselm Grün besucht, erlebt keinen Star-Schriftsteller. Durch viele verwinkelte Gänge führt der Weg in sein kleines Büro. Im abgetragenen weißen Zopfmuster-Pulli sitzt er hinter dem alten Holzschreibtisch - vor ihm ein kleiner Bildschirm und eine Tastatur. Die langen grauen Haare sind sorgsam über den Kopf gekämmt, auf der Nase trägt er eine kleine Lesebrille und im Gesicht sein Markenzeichen: den wallenden weißen Vollbart. Grüns Bücher haben sich weltweit mindestens 15 Millionen Mal verkauft, er ist Bestseller-Autor, keine Frage. Aber er ist vor allem: zurückhaltend, bescheiden, fast ein wenig schüchtern.

Grün spricht, wie er schreibt: Die leisen und bedachten Töne sind seine Welt. Seine Ratgeber-Bücher sollen den Menschen Halt geben und nicht immer nur einfache Antworten. Das meistverkaufte Buch ist "50 Engel für ein Jahr", inzwischen erscheint es in der 33. Auflage. Dies sei nicht sein Lieblingsbuch, bekannte der Pater vor Jahren einmal. Er schreibt inzwischen nicht nur aus innerem Antrieb heraus Bücher - oft tragen die Verlage Wünsche an ihn heran. Nur jeden zehnten Auftrag nehme er im Schnitt an, die übrigen Themen seien teils völlig abstrus: "Ich halte nichts von Wellness-Spiritualität, also schreibe ich darüber auch nicht."

"Ich will nich als Moralapostel auftreten"

Seine Kritiker werfen dem gebürtigen Unterfranken genau das vor. Den stramm konservativen Katholiken und auch vielen Evangelikalen ist er zu wenig bibeltreu. Er vermenge die christliche Botschaft mit Elementen aus anderen Religionen, lautet einer der Vorwürfe. Grün ficht das nicht an, auch wenn er solche Kritik nicht einfach beiseite wischt: "Ich nehme die Kritiker generell erst einmal ernst." Mit sachlicher Kritik setze er sich auch auseinander, teilweise könne er seine Kritiker auch verstehen. Er wolle mit seinen Werken gar keine kirchenpolitischen Debatten führen, sagt er. "Ich will nicht als Moralapostel auftreten oder die Leser verunsichern".

Schreiben ist für ihn ein zentraler Bereich seines Mönchdaseins: "Ich bin Missionsbenediktiner, ich will die frohe Botschaft Jesu Christi verkünden - und zwar so, dass sie Menschen sie verstehen." Dies tue er als Autor und Vortragsreisender. Um Eitelkeiten geht es ihm dabei nicht, auch wenn dieser Vorwurf schon einmal aus den Reihen seiner Mitbrüder kam: "Ich bin der erste, der auf Auftritte in Talkshows verzichten könnte." Aber die Verlage wollten seine Bücher schließlich verkaufen und vermarkten - das gehöre also mit dazu. Und das Geld, das mit Grüns Büchern verdient wird, ist für die Abtei Münsterschwarzach wichtig.

Ein Pater an der Börse

Genauso wichtig wie sein Job als Anlageberater für das Kloster. Zwischen 1977 und 2013 war Anselm Grün der sogenannte Cellerar, der wirtschaftliche Leiter des Klosters mit seinen mehr als 20 Betrieben und vielen Dutzend Angestellten. Dabei war ihm das Buchhalten am Anfang sogar zuwider. Er wollte Seelsorger sein, nicht Manager. Doch weil der Abt es so wollte, studierte der damals noch junge Anselm Grün Betriebswirtschaftslehre. Irgendwann fand der Pater Gefallen daran. Er investierte an der Börse, spekulieren will er es bis heute nicht nennen. Jahrzehntelang finanziert die Abtei mit Grüns Zinserträgen einen Teil ihres privaten Gymnasiums.

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Doch dann kommt die Wirtschaftskrise Anfang des Jahrtausends. Grün verliert drei Millionen Euro mit argentinischen Staatsanleihen, seine Mitbrüder sind nicht begeistert. Und auch die nächste Finanzkrise erwischt das Kloster. "Das Zinsverbot des Mittelalters macht heute keinen Sinn mehr", sagt er, es wolle schließlich auch niemand mehr die Rückkehr zur Tauschwirtschaft: "Aber natürlich sollten Christen darauf achten, wo und wie sie ihr Geld anlegen." Spekulationen gegen Länder und Währungen lehnt er deshalb kategorisch ab. Vor Verlusten hat ihn das in den weltweiten Wirtschaftskrisen aber nicht bewahrt.

Seit Oktober 2013 ist Anselm Grün nicht mehr Cellerar der Abtei, die Geldgeschäfte liegen aber nach wie vor in seinen Händen. Wie lange noch, wird sich zeigen, sagt er und legt die Hände gefaltet auf seinen Bauch. Das mit dem Kürzertreten hat man als Mönch eben nicht alleine in der Hand.