Sunniten und Schiiten in Deutschland wollen sich annähern

Sunniten und Schiiten in Deutschland wollen sich annähern
Vertreter islamischer Verbände und Wissenschaftler haben sich angesichts der Gewaltexzesse islamistischer Extremisten im Irak und Syrien dafür ausgesprochen, dass sich Sunniten und Schiiten in Deutschland einander annähern.

"In Zeiten von Abgrenzungsfanatikern im Nahen Osten sollten beide muslimischen Glaubensrichtungen in Deutschland ihre Gemeinsamkeiten hervorheben und zusammenarbeiten", sagte der Direktor des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie, Bülent Ucar, am Dienstag am Rande einer Konferenz in Osnabrück. Die bundesweit erste Fachtagung über die Situation der Schiiten könne der Auftakt für einen innerislamischen Austausch sein.

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Sunniten und Schiiten haben sich vor rund 1.300 Jahren über der Frage entzweit, wer der legitime Nachfolger des Propheten Mohammed ist. Weltweit sind 85 Prozent der Muslime Sunniten. In den Bürgerkriegen im Irak und Syrien kämpften beide Gruppen in einem politisch-religiösen Stellvertreterkrieg um die Vormachtstellung im Nahen Osten, erläuterte der Islamwissenschaftler Harald Johannsen.

Iran und Libanon gelten als Hochburgen der Schiiten gegenüber der Mehrheit der sunnitischen Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten. Die sunnitischen Terrorgruppe des "Islamischen Staates" (IS) habe den Konflikt radikalisiert und töte brutal alle aus ihrer Sicht Ungläubigen, darunter Schiiten, Christen, Jesiden und sogar manche Sunniten.

In Deutschland müssten die Muslime weitab dieser Konflikte die Chance zu einer "Ökumene" nutzen und sich an einen Tisch setzen, forderte Ucar. Dabei müsse klar sein: "Es gibt keinen Einheitsislam." Auch im Islam dürften Vielfalt und unterschiedliche Betrachtungsweisen existieren. "Der Dialog ist eine Bereicherung für jeden Muslim und eine Aufforderung, über seine eigene Position nachzudenken."

Ähnlich äußerten sich auch Avni Altiner vom Dachverband der Muslime (Schura) in Niedersachsen, und Ali Kizilkaya, der Sprecher des bundesweit organisierten Koordinationsrates der Muslime. Die Schura sei offen für jeden Dialog, betonte Altiner. Kizilkaya sagte, der Austausch zwischen Muslimen und Christen sei in Deutschland derzeit enger als der zwischen Sunniten und Schiiten. Deshalb seien eine von Respekt geprägte Kooperation beider muslimischer Richtungen und ein geschwisterlicher Zusammenhalt dringend notwendig.